Kommentar Immigration in Italien: Doppelte Ausbeutung

Italien braucht die Immigration - und debattiert über den "Notstand". Damit schafft es die Regierung Berlusconi, die Immigranten gleich zweimal auszubeuten.

Wieder einmal gibt es neue Zahlen zur Einwanderung in Italien - und wieder einmal hebt die Debatte über den "Ausländernotstand" an. Glatt verdoppelt hat sich die Zahl der Bootsflüchtlinge, die im Jahr 2008 in Lampedusa angekommen sind, fast verdreifacht hat sich die Zahl derer, die in Italien Asyl begehren.

Zur Stimmungsmache taugen diese Ziffern aber nur für die, die eh schon in Stimmung sind: die a priori wissen, dass "Ausländer" und "Unheil" so ungefähr das Gleiche darstellen. Wer nüchtern hinschaut, kann nur eines feststellen: Egal, ob nun 10.000 oder 20.000 Menschen nach Italien kommen, sie sind weder für den Staat noch für seine Bürger ein Risiko. Sie selbst sind die Einzigen, die etwas riskieren - ihr Leben nämlich. Und sie taugen auch nicht dafür, den angeblich bleibenden "Einwanderungsdruck" zu bebildern.

Gewiss, die Zahl der in Italien lebenden Ausländer ist binnen weniger Jahre auf über vier Millionen hochgeschnellt, und mindestens 650.000 von ihnen leben illegal im Land. Doch sie kommen vor allem, weil von Italien ein massiver Einwanderungssog ausgeht. So schafft in Italiens Haushalten mittlerweile ein Heer von etwa 1,7 Millionen Pflegekräften, kümmert sich billig um den Opa - und erspart den Familien wie dem Staat teure Pflegeleistungen. Auf 45 Milliarden Euro jährlich hat ein Konsumentenverband allein die staatliche Ersparnis berechnet, die diese Immigrantinnen Italien bescheren. Kräftig sparen auch die Familien: Bloß ein Drittel der Pflegekräfte hat einen regulären Vertrag, der große Rest wird schwarz beschäftigt.

Weiterhin aber tut Italien so, als sei es ein Gnadenakt, die Immigranten zu dulden, weiterhin werden Aufenthaltsgenehmigungen in der Regel nur für ein Jahr gewährt, weiterhin werden die "Illegalen" für die Übel im Land verantwortlich gemacht. Dass die Berlusconi-Regierung diesen Kurs verlässt, ist nicht zu erwarten. Schließlich lebt sie in der besten aller möglichen Welten: in einer Welt, in der die Immigranten sich erst wirtschaftlich ausbeuten und dann auch noch als politischer Buhmann verwerten lassen.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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