Debatte Bankwesen: Sparkassen weisen den Weg

Nicht die internationalen Privatbanken, sondern die lokal agierenden Banken stützen die Wirtschaft. Daher sollte jetzt das Bankwesen regionalisiert werden.

Wozu braucht man eigentlich Banken? In der aktuellen Debatte um die Finanzkrise ist das nicht die Frage - doch man sollte sie ernsthaft stellen. Momentan verstehen sich viele Kreditinstitute als Anbieter von "Produkten", die Sparern und Bankaktionären maximale Rendite versprechen. Genau dieses problematische Selbstverständnis hat die jetzige Finanzkrise verursacht.

Denn es führt unter anderem dazu, dass komplexe Wertpapiere konstruiert werden, um hochriskante Kreditforderungen weltweit zu streuen. Die lokale Kreditversorgung der Wirtschaft hingegen geriet und gerät darüber noch immer ins Hintertreffen. Angesichts der weltweiten Finanzkrise sollten sich die regionalen Banken dringend auf ihre Tradition besinnen.

Ein Rückbau der deutschen Kreditwirtschaft in diesem Sinne wäre gar nicht so umfangreich, wie er zunächst erscheinen mag: Schon jetzt sind viele Banken regional organisiert und nicht auf Profitmaximierung programmiert. Denn die großen Privatbanken wie die Deutsche, Dresdner, Commerz- und Hypo-Vereinsbank wickeln nur 15 Prozent der hiesigen Bankengeschäfte ab. Öffentlich-rechtliche Banken hingegen besitzen einen Marktanteil von rund 46 Prozent. Zu ihnen gehören neben Sparkassen und Landesbanken auch Landesbausparkassen oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Die Genossenschaftsbanken und ihre Dachinstitute DZ- und WGZ-Bank erledigen weitere 13 Prozent der Bankgeschäfte.

Wenig bekannt ist auch, dass jede dieser "drei Säulen" aus privaten, öffentlichen und genossenschaftlichen Banken die gesamte Palette der für Bürger und Unternehmen notwendigen Bankengeschäfte anbietet - vom Girokonto bis zum Aktienfonds, vom "Easy Credit" bis zur Organisation von Aktienemissionen großer Konzerne. Daher würde faktisch bereits eine Säule genügen, um Wirtschaft und Verbraucher mit Geld zu versorgen. Allerdings erhoffte man sich durch die parallele Struktur mehr Stabilität und durch die starke Konkurrenz zwischen den Banken auch mehr Effizienz. Die Finanzkrise führte diese Hoffnungen ad absurdum.

Nun könnte man einwenden, dass sich ja auch die Landesbanken und sogar manche Sparkassen auf den weltweiten Finanzmärkten verzockt haben. Was sollte es also bringen, das deutsche Bankensystem zu regionalisieren und auf die Geld- und Kreditversorgung zu fokussieren, wenn die Banker bei den Landesbanken keinen Schimmer von Bankgeschäften haben? Jene haben jedoch - nebst "Geschäftssinn" - lediglich bewiesen, genauso wenig Ahnung von weltweiten Gefahren zu haben wie andere Banker auch. Sie fielen auf die gleichen pseudosicheren strukturierten Finanzprodukte herein wie ihre Kollegen bei den Privatbanken. Offenkundig sind nicht die öffentlichen Banken das Problem, sondern die Auffassung der Banker, mit allen Mitteln aus Geld mehr Geld machen zu wollen.

Obwohl sich auch regionale Banken immer stärker von der Gier der Großen anstecken ließen - was auf deutliche Regulierungsdefizite schließen lässt -, erscheint die Hoffnung nicht ganz unbegründet, dass gerade auch die Nähe der öffentlich-rechtlichen Banken zu ihren Kunden das Verantwortungsbewusstsein nicht völlig hat veröden lassen. Daher sind die öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Banken jetzt die Gewinner der Finanzkrise. Glaubt man den Aussagen der Institute, dann drängt es die Deutschen besonders zu Raiffeisenbanken oder in die Sparkassen, wo sie sich mit Festgeldkonten begnügen oder Bausparer werden.

Ein Volk von Zockern waren die Deutschen noch nie, und die gegenwärtige Entwicklung wird sie darin hoffentlich für lange Zeit bestärken. Denn Banken haben nicht die Aufgabe, möglichst hohe Zinsen zu bezahlen oder die Welt nach möglichst profitablen Wertpapieren abzusuchen. In ihrem Kern sind Banken Makler, die Menschen mit zu viel Geld (zumeist Sparer) mit Menschen zusammenbringen, die zu wenig Geld haben (etwa Unternehmer oder Finanzminister). In dieser Rolle unterscheiden sie sich nicht von Wohnungsmaklern oder Gebrauchtwagenhändlern. Bei allen gilt: Je geringer der Verwaltungsaufwand, desto billiger kann die Dienstleistung angeboten werden. Auch der Vergleich mit einer karitativen Organisation drängt sich auf, bei der umso mehr Hilfsgelder bei den Bedürftigen ankommen, je weniger in der Verwaltung versickert. Das bedeutet: Eine Bank, die keine Millionengehälter zahlt, keine Dividenden an Aktionäre abführt und den Sparern keine großartigen Zinszahlungen leistet, kann günstigere Kredite an Unternehmen vergeben als renditeorientierte Kapitalgesellschaften. Die nämlich ködern die Kleinsparer mit exorbitanten Zinsen und erziehen sie so zu Kleinkapitalisten um.

Offenbar sind vor allem die Privatbanken gezwungen, zusätzliche Gewinne zu erzielen, indem sie von irrationalen Devisen- oder Vermögenspreisentwicklungen profitieren oder Geld in bankfernen Bereichen verdienen (etwa durch Beteiligungen an Hedge-Fonds). Diese Geschäftspraktiken gehören abgeschafft.

Da die Kernaufgabe der Finanzindustrie darin besteht, Investitionen zu finanzieren, indem sie Geld umverteilt, ist jedes Bestreben der Finanzindustrie, sich selbst zu vergrößern, höhere Gebühren zu verlangen, höhere Löhne im Management zu genehmigen oder höhere Kapitalrenditen zu erwirtschaften, schädlich für die Realwirtschaft. Die Finanzindustrie wird ihrer Aufgabe erst dann gerecht, wenn die Eigenlogik der Profitmaximierung vollständig beseitigt ist. In einem wirtschaftsdienlichen Finanzsektor kann es keine Banken in Form von Aktiengesellschaften geben und Sparer müssen Sparbüchern den Vorzug geben. Zudem müssen die zahllosen Produkte zur Steigerung der Finanzmarkteffizienz verschwinden, die nur die Aufgabe hatten, die Kapitalrendite zu steigern. Regionale Sparkassen und Genossenschaftsbanken fungieren schon immer als Hausbanken für klein- und mittelständische Unternehmen, während sich die Großen um solcherlei "Peanuts" weit weniger kümmern. Schon weil Sparkassen nur in ihrer Region tätig werden dürfen, müssen sie sich für diese Region engagieren. Dem pflichtet sogar der ehemalige Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer bei: "Die dezentrale Struktur fördert die Nähe zwischen Bank und Unternehmer und hilft, lokale Gegebenheiten besser zu berücksichtigen."

Falls wir eine regional orientierte, kleinteiligere Wirtschaft fördern wollen sowie Finanzinstitute als Makler und nicht länger als "Geldvermehrungshäuser" verstehen, dann haben wir gerade in Deutschland mit seinen drei Bankenarten die Möglichkeit, die Privatbanken aufzulösen und in die öffentlichen und genossenschaftlichen Strukturen zu integrieren. Wenn unaufgeregt über eine Teilverstaatlichung von Opel geredet werden kann, dann ist es auch an der Zeit, auf den Finanzmärkten mehr als nur kosmetische Schnitte einzufordern.

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