Kommentar Flüchtlingsentscheidung: Limitierte Nächstenliebe

Die EU ringt sich endlich dazu durch, Flüchtlinge aus dem Irak aufzunehmen. Wichtig ist jetzt, dass sie eine klare Perspektive erhalten.

Die Innenminister der Europäischen Union wollen jetzt endlich Flüchtlinge aus dem Irak aufnehmen: Bis zu 10.000 besonders gefährdete Menschen sollen kommen dürfen. Damit erfüllen die Innenminister gerade die Minimalerwartungen des UN-Flüchtlingshilfswerks. Das hatte die EU angefleht, umgehend doch zumindest 10.000 Flüchtlinge aufzunehmen. Angesichts der zwei Millionen Menschen, die allein in die Nachbarländer Syrien und Jordanien geflohen sind, ist die Entscheidung der EU dürftig. Und ebenso dürftig war das Prozedere, das dieser Entscheidung vorausgegangen ist: Während die Flüchtlinge um ihr Leben bangten, verzögerten und verschoben die EU-Innenminister die Entscheidung immer wieder.

Wenig besser sieht das deutsche Verhalten aus. Zwar hat Bundesinnenminister Schäuble die Initiative zur Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Irak angestoßen. Doch mit seinem bizarren Vorhaben, allein Christen aufzunehmen, stieß er potenzielle Mitstreiter vor den Kopf - glücklicherweise wurde nichts daraus. Ebenfalls ins Leere lief seine Ankündigung, er werde einer europäischen Entscheidung vorgreifen und im Alleingang Flüchtlinge aufnehmen, sollte die EU eine Entscheidung verzögern. Da machten die Landesinnenminister der Union nicht mit.

Nun heißt es, Deutschland wolle 2.500 Flüchtlinge aufnehmen. Das hört sich im Vergleich zu anderen EU-Ländern auf den ersten Blick zwar viel an, ist es aber nicht: Allein Schweden hat in den vergangenen Jahren mehrere Zehntausend Flüchtlinge aus dem Irak aufgenommen - und damit die Hälfte aller irakischen Flüchtlinge in die EU. Eine Initiative Schwedens für eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in der EU war in der Vergangenheit übrigens im Sande verlaufen und unter anderem am deutschen Widerstand gescheitert.

Wichtig ist nun, dass die Flüchtlinge schnell aufgenommen und versorgt werden - und dass sie dauerhaft in Deutschland angesiedelt werden. Denn klar ist: Die allermeisten von ihnen werden nicht in den Irak zurückkehren können. Deshalb brauchen sie eine klare Perspektive: ein sicheres Bleiberecht, Sprach- und Integrationskurse und Zugang zum Arbeitsmarkt.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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