Kommentar Moskauer Morde: Kläger verschwunden, Anwalt ermordet

Nach den Morden in Moskau und Wien steht zu befürchten, dass Kritiker des tschetschenischen Machtapparates erst einmal schweigen werden. Sie müssten besser geschützt werden.

Wer könnte hinter dem Moskauer Mord an dem Rechtsanwalt Stanislaw Markelow und der Journalistin Anastasia Baburowa stehen? Ein Zusammenhang mit der Freilassung des Exoberst Juri Budanow vier Tage vor dem Mord drängt sich geradezu auf. Denn gegen die vorzeitige Entlassung des zu zehn Jahren verurteilten Mörders hatte vor allem einer gekämpft: Stanislaw Markelow als Anwalt der Familie einer von Budanow ermordeten Tschetschenin. Eine Stunde vor dem Mord hatte Markelow Journalisten erklärt, dass er alles tun werde, um Budanow wieder hinter Gitter zu bringen.

Fünf Tage vor den Morden war in Wien der tschetschenische Flüchtling Umar Israilow erschossen worden. Israilow hatte in Tschetschenien als Leibwächter des tschetschenischen Präsidenten Kadyrow gedient. Nach seiner Flucht hatte er Kadyrow persönlich der Folter in einem Geheimgefängnis beschuldigt und beim europäischen Menschengerichtshof geklagt. Auch Markelow hatte einen Tschetschenen, Mochmadsalach Masajew, vertreten, der von Folter in einem geheimen Gefängnis in Tschetschenien berichtet hatte. Dort, so Masajew, habe er Kadyrow persönlich gesehen. Anwalt Markelow wollte den Fall Masajew vor den europäischen Menschengerichtshof bringen. Vor diesem Hintergrund spricht vieles für die These, die Gründe für den Mord an Markelow seien eher im Fall Masajew zu suchen.

Jedenfalls wird sich nach den Morden von Wien und Moskau wohl niemand mehr wegen Folter, die auf das Konto der derzeitigen Machthaber Tschetscheniens geht, an den Europäischen Menschengerichtshof wenden. Ein Zeuge, Israilow, ist tot, ein weiterer Kläger, Masajew, seit dem 3. August spurlos verschwunden, Anwalt Markelow ermordet. Nach Angaben der New York Times hatte sich die österreichische Anwältin von Israilow, Nadja Lorenz, vergeblich um Personenschutz für ihren Mandanten bemüht. Hier sind die Staaten des Europarats gefordert: Der Europäische Menschengerichtshof wird nur dann die Menschenrechte wirksam schützen können, wenn er seinen Klägern Sicherheit garantieren kann.

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Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.

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