Kommentar Bosnien: Es rappelt im Karton

Das Dayton-Abkommen ist über den Haufen geworden, und damit auch die Existenz der Republik Srpska – so scheint es. Das befeuert die Diskussion um eine neue Verfassung.

Als sprunghaft und unberechenbar galt er schon immer, der sich als Sozialdemokrat bezeichnende Ministerpräsident der Republika Srpska. Noch vor Kurzem wollte er seinen Teilstaat der Serben von Bosnien und Herzegowina abkoppeln, ging keine Kompromisse mit den anderen Volksgruppen ein und nannte Sarajevo "bosnisches Teheran". Jetzt hat er gemeinsam mit Vertretern der anderen Volksgruppen kurzerhand die Verfassung von Dayton und damit die Existenz der Republika Srpska über den Haufen geworfen. So scheint es jedenfalls. Und das muss man erst einmal verdauen.

Oder ist das alles nur ein neuer Trick, um sich wichtig zu machen? Sulejman Tihic, während des Kriegs Gefangener in verschiedenen serbischen Lagern und Chef der muslimisch-bosniakischen Nationalpartei SDA, jedenfalls ist davon überzeugt, dass das Abkommen zwischen ihm, Dodik und dem Kroaten Dragan Cavic den Weg in die europäische Zukunft weist. Seiner Beharrlichkeit ist es zu verdanken, dass verhandelt wurde. Schon Ende November hatten die drei sich über die Aufteilung des Staatseigentums zwischen dem Gesamtstaat, den Teilrepubliken und den Gemeinden geeinigt und damit Investitionshindernisse beseitigt.

Sehr wahrscheinlich ist auch, dass Dodik angesichts der immer härter werdenden internationalen Kritik an ihm nun guten Willen zeigen muss. Nicht nur das bisher unbestimmte Brüssel hat langsam die Faxen dicke, sondern vor allem den Amerikanern reicht es. Die streben jetzt vielleicht sogar den Posten des Hohen Repräsentanten an. Jedenfalls wurde in Washington schon klargestellt, dass die internationale Gemeinschaft nach wie vor in der Lage ist, obstruierende Politiker in Bosnien abzusetzen.

Noch trauen die Bosnier dem Braten nicht. Denn Dodik hat mehrmals geschmeidig seinen Kopf aus der Schlinge gezogen, indem er nachgab, um später wieder alle Kompromisse umzuwerfen. Doch immerhin haben die drei erreicht, dass jetzt wieder öffentlich über eine neue Verfassung diskutiert wird. Eine Verfassung, die den Namen verdient und die hilft, die zementierten ethnischen Grenzen wieder abzubauen.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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