Kommentar Uiguren: Guantánamo macht Wahlkampf

München erklärt sich bereit, 17 Uiguren aus Guantánamo aufzunehmen. Jedoch nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern wegen des Wahlkampfs.

Was für eine menschenfreundliche Nachricht! Pünktlich zum Auftakt der Sicherheitskonferenz erklärt München sich bereit, 17 uigurische Insassen des US-Gefangenenlagers Guantánamo aufzunehmen. Als "frühzeitiges Signal" an die neue US-Regierung, sagt Oberbürgermeister Christian Ude. Wie reizend. Wie unglaubwürdig.

Das Signal des SPD-Politikers richtet sich wohl weniger an das ferne Washington als an die Adresse der Gegnerin im Wahlkampf: also an die der Union. Längst ist Guantánamo zum Zankapfel zwischen Sozialdemokraten und Konservativen geworden. Der Fall der Uiguren beweist, dass die betroffenen Menschen dabei nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Diese Gefangenen bedeuten nämlich kaum ein Sicherheitsrisiko. Nicht einmal die USA selbst glauben an ihre Schuld.

Guantánamo als Wahlkampfthema erfüllt eine andere Funktion. Das Lager wird als Lackmustest für die Frage missbraucht, ob man der Sicherheit oder den Menschenrechten einen größeren Stellenwert einräumt. Punkten lässt sich eventuell mit beidem. Für eine Feinanalyse kommt es darauf an, welchen Parteienforschern und welchen Umfragen man Glauben schenken möchte.

Für den SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier dürfte es wunderbar sein, sich als Hüter der Menschenrechte präsentieren zu können - zumal er im Fall des Bremer Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz keine rühmliche Rolle gespielt hat. Er sollte seinen Parteifreund Ude zum Essen einladen. Innenminister Wolfgang Schäuble müsste aber auch dankbar für die Chance sein, rasche Zusagen ein weiteres Mal verweigern zu können und sich somit als Beschützer der Deutschen vor allen und allem Fremden zu präsentieren. Vielleicht könnte man zu dritt speisen?

Guantánamo-Häftlinge mit ungeklärter Vergangenheit und ungewisser Zukunft würden die entspannte Atmosphäre wohl nicht stören. Sie sollen bei uns ja sowieso nicht reinkommen. Dabei wäre genau das der wirkliche Lackmustest im Hinblick auf Menschenrechte: der Umgang mit jenen, deren Schuld nicht geklärt ist.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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