BEIM NATO-GIPFEL ZEIGEN SICH DIE SICHERHEITSBEHÖRDEN LERNRESISTENT
: Im kalten Krieg mit der Öffentlichkeit

Einbunkern, schnell schießen und kritische Berichterstattung verhindern – so ließe sich im militärischen Duktus die Strategie der Behörden vor dem Nato-Gipfel beschreiben. Wie Polizei und Nato-Hauptquartier kurz vor dem Gipfel zum 60. Jubiläum des Militärbündnisses gegen Kritiker vorgehen, entspricht so gar nicht dem Bild einer demokratisch gesteuerten, modernen Eingreiftruppe, welches die Nato gerne von sich zeichnet. Im Gegenteil. Während andere Großorganisationen längst den Wert des kritischen Dialogs begriffen haben, befindet sich die Nato offenbar immer noch im kalten Krieg mit der Öffentlichkeit.

Sicher, für viele nach Straßburg gereiste Autonome ist die Demonstrationsfreiheit nur der Vorwand für gewalttätige Katz-und-Maus-Spielchen mit der Polizei. Dennoch muss sich die Polizei bereits jetzt die Frage nach der Verhältnismäßigkeit gefallen lassen: Sie greift bei Übergriffen auf Demonstrationen sofort zu Tränengas und Schockgranaten, hat sich also für ein brutales Vorgehen entschieden. Damit beugt sie künftigen Eskalationen nicht vor, sondern fördert sie.

Noch bedenklicher aber sind die Versuche der Behörden, die Reise- und die Pressefreiheit zu beschneiden. Wenn Nato-GegnerInnen auf dem Weg in Protestcamps an der Grenze kassiert werden, weil sie Küchenutensilien oder Werkzeug bei sich haben, ist dies mehr als eine Farce. Es ist eine Einschränkung der Demonstrationsfreiheit – denn die Polizei verhindert mit Schikanen legitimen, demokratischen Protest. Ebenso undemokratisch ist der Ausschluss unbequemer, weil politisch links stehender Journalisten aus dem offiziellen Medienzentrum. Das Bundeskriminalamt übermittelte Daten über die angeblich für Staatsgäste gefährlichen Betroffenen den Nato-Offiziellen, und es tat dies ohne jegliche Rechtsgrundlage – das hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden glücklicherweise klargestellt.

All dies kommt einem bekannt vor. Auch bei dem letzten sicherheitspolitischen Großereignis in Deutschland, dem G-8-Gipfel in Heiligendamm, kam es zu Auswüchsen bei der Kriminalisierung von Demonstrierenden. Offensichtlich beharren die Behörden auf dieser Haltung. ULRICH SCHULTE