FELIX LEE POLITIK VON UNTEN
: Fußball statt Demo

ERSTMALS SEIT JAHREN KÖNNTE EIN G-8-GIPFEL OHNE MASSENPROTESTE ÜBER DIE BÜHNE GEHEN

Vor Mitte Juli in den Sommerurlaub zu gehen – das wird nicht nur mir, dem zuständigen Berichterstatter für Gipfelproteste, seit Jahren nicht genehmigt. Auch für die GlobalisierungskritikerInnen ist der alljährliche G-8-Gipfel fester Bestandteil des Terminkalenders. Doch neulich zeigte mir ein Aktivist seinen Kalender, und ich war überrascht: Die Tage zwischen dem 8. und 10. Juli hatte er nicht für Proteste blockiert. Stattdessen stand in fetten Buchstaben geschrieben: Mondiali Antirazzisti. Das findet zwar auch wie der diesjährige Gipfel in Italien statt. Doch beim Mondiali handelt es sich um ein linkes Fußballturnier.

Anders als in den vergangenen acht Jahren war lange Zeit unklar, ob es beim diesjährigen G-8-Gipfel in Italien überhaupt nennenswerte Proteste geben würde. Das haben die GlobalisierungskritikerInnen in nicht geringem Maße sich selbst zu verdanken. Spätestens seit dem Massenprotest 2001 in Genua meiden es die G-8-Staatschefs, ihr aufgeplustertes Treffen in einer Großstadt abzuhalten. Denn dort kommen auch die DemonstrantInnen leicht hin. Seitdem finden die Gipfeltreffen Jahr für Jahr in immer abgelegeneren Orten statt. Vor zwei Jahren war das Treffen in Heiligendamm, vergangenes Jahr am Kraterrand eines japanischen Vulkans.

Das diesjährige Treffen sollte eigentlich auf La Magdalena stattfinden, einer winzigen Insel vor Sardinien. Abgesehen von einer sardischen Unabhängigkeitsorganisation hatten es die italienischen Globalisierungskritiker bereits aufgegeben, überhaupt europaweit zu Protesten zu mobilisieren. Seit jedoch Silvio Berlusconi verkündete, den Gipfel nach L’Aquila zu verlegen, in der Annahme, in der im April verwüsteten Erdbebenregion würden die Demonstranten schon keine gewalttätigen Proteste wagen, mehren sich in Italien die Aufrufe zu Anti-G-8-Protesten nun doch wieder.

Dem Aktivisten, mit dem ich gesprochen habe, bleiben diese Ankündigungen allerdings noch zu vage. Vielleicht ist es kein schlechter Plan, sich für ein Fußballturnier anzumelden. Falls es beim G-8-Gipfel tatsächlich zu Protesten kommen sollte, kann man immer noch den Zug nach L’Aquila nehmen. Und wenn nicht so viel passiert? Dann gibt es halt erstmals wieder Urlaub Anfang Juli.

■ Der Autor ist taz-Redakteur für soziale Bewegungen

Foto: Wolfgang Borrs