Debatte Muslime: Genug konferiert

Die Islamkonferenz hat den Dialog intensiviert. Das ist gut. Doch jetzt ist es Zeit, die andauernde Trennung von Ihr und Wir aufzuheben.

ist Politikwissenschaftlerin und als Redakteurin im Inlandsressort für die Themen Migration und Integration zuständig. Religion war zunächst kein Thema, aber seit einigen Jahren beschäftigt sie sich verstärkt mit dem Islam und den Muslimen in Deutschland.

Allein diese zwei Sätze waren es wert. Als Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor knapp drei Jahren in einer Regierungserklärung die gerade von ihm einberufene Islamkonferenz erläuterte, sagte er: "Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Europas, er ist Teil unserer Gegenwart und er ist Teil unserer Zukunft. Muslime sind in Deutschland willkommen." Auf eine solche Äußerung hatten Muslime hierzulande lange gewartet. Statt Misstrauen und Ablehnung endlich ein klares Bekenntnis! In einer Regierungserklärung, vom Innenminister! Manch einer hätte sich dies von der rot-grünen Vorgängerregierung gewünscht. Doch es brauchte einen einen konservativen Protestanten, für den Religion selbst einen hohen Stellenwert hat, um diese hochsymbolischen Worte auszusprechen.

Drei Jahre ist das her. Seitdem haben Plenum und Arbeitsgruppen der Islamkonferenz regelmäßig getagt. Muslime und Vertreter des deutschen Staates haben sich kennengelernt und mitunter heftig debattiert, sie haben Muslimen wie Mehrheitsgesellschaft gezeigt, wie vielfältig der Islam in Deutschland ist. All das ist positiv, auch wenn der Dialog nur langsam voran kam und die Islamkonferenz wenig Konkretes zu Stande gebracht hat.

Am Donnerstag nun tagt das Gremium zum vorläufig letzten Mal. Geht es nach Schäuble, wird die Islamkonferenz in der kommenden Legislaturperiode fortgeführt. Doch das wäre falsch. Trotz aller positiven Effekte sollte es das letzte Treffen in dieser Form sein - aus zahlreichen Gründen.

Zum einen ist die Islamkonferenz in keiner Weise als Vertretung der deutschen Muslime legitimiert. Die großen islamischen Organisationen, die allesamt traditionell und konservativ sind, haben ihre Funktionäre geschickt; auch die alevitische Gemeinde hat einen Abgeordneten entsendet. Von ihnen fühlen sich nicht mal ein Viertel der vier Millionen Muslime in Deutschland vertreten. Der Rest der Teilnehmer, die für die säkularen Muslime sprechen sollen, hat das Innenministerium nach eigenem Gutdünken ausgewählt. Menschen wie die Lehrerin Havva Yakar, der Schriftsteller Navid Kermani oder die Frauenrechtlerin Seyran Ates repräsentieren zunächst einmal lediglich sich selbst.

Zu zähen Debatten führt die große Bandbreite der Teilnehmer. Da sind zum einen jene, die Kritik am Islam und den muslimischen Verbänden zu ihrem Hauptberuf gemacht haben. Sie benutzen die Islamkonferenz mehr für ihre Zwecke als dass sie aktiv an einem Weg zur rechtlichen Gleichstellung der Muslime in Deutschland mitwirken. Genau das aber sollte letztlich das Ziel der Islamkonferenz sein. Am anderen Ende der Skala nehmen Organisationen teil, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, wie der islamistische Verband Milli Görüs. Gegen Oguz Ücüncü, dem Milli Görüs-Geschäftsführer, ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Ein einheitlicher Ansprechpartner, den der Staat, den Kirchen vergleichbar, auf Seiten der Muslime so gerne hätte, wird aus der Islamkonferenz ohnehin nicht hervorgehen. Inzwischen ist auch den Beamten aus Bund und Ländern klar geworden sein: Die Muslime in Deutschland sind dafür zu unterschiedlich - und verkirchlichen lassen wollen sie sich nicht.

Die meisten Vorhaben, die die Tagesordnungen der Islamkonferenz beherrschen, sind zudem auf Bundesebene schlicht nicht lösbar. Moscheebauprojekte werden in den Kommunen entschieden, die Einführung eines islamischen Religionsunterricht ist Ländersache. Statt die Fragen weiter abstrakt zu diskutieren, müssen Lösungen in den Kommunen und den Ländern gesucht und erprobt werden.

Und schließlich: Langfristig ist ein Sondergremium für Muslime kontraproduktiv, denn es schreibt eine Trennung fest: Auf der einen Seite stehen die Muslime (obwohl viele von ihnen längst einen deutschen Pass haben), auf der anderen Seite die Deutschen, vertreten durch Repräsentanten aus Bund, Ländern und Kommunen. Es ist aber gerade diese Trennung zwischen Ihr und Wir, die dringend überwunden werden muss.

Der Erfurter Islamwissenschaftler Jamal Malik ist der Ansicht, dass die Islamkonferenz diese Trennung sogar weiter verschärft. Die Muslime, so Malik, würden durch die Konferenz islamisiert. Die Islamkonferenz klebe auf die Teilnehmer das Label Muslim - und alle anderen Bestandteile ihrer Identitäten fallen unter den Tisch. Das Distinktionsmerkmal wird betont, die Grenze festgezurrt.

Der Lebenswirklichkeit vieler Teilnehmer aber wird das nicht gerecht. Sie verstehen sich nicht vorrangig als Muslime, sondern als Schriftsteller, Islamkritikerin oder Lobbyist für die Sache der Deutsch-Türken. Zudem sind sie mehr oder weniger religiös, praktizieren ihren Glauben oder tun es nicht.

Neuere Studien zeigen, dass dies nicht nur bei Teilnehmern der Islamkonferenz der Fall ist. Das Politik- und Marktforschungsinstitut Sinus Sociovision hat erstmals umfassend die Lebenswelt von Menschen mit Migrationshintergrund erforscht und diese in acht Milieus aufgeteilt. Sie reichen vom interkulturell-kosmopolitischen Milieu bis zum religiös-verwurzelten. In allen sind Muslime vertreten. Die Studie zeigt: Migranten sind keine homogene Gruppe, sie definieren sich nicht vor allem über ihre Religion oder die ethnische Herkunft. Das gilt auch für viele Muslime. Der Einfluss religiöser Traditionen, so eine der Schlussfolgerungen der Forscher, wird oft überschätzt. Die Werteorientierung von Migranten ist der von Deutschstämmigen in vergleichbaren Milieus ähnlicher als oft angenommen.

Auch eine neue Untersuchung zum muslimischen Leben in Deutschland, die das Innenministerium jetzt vorgelegt hat, betont die Vielfältigkeit der Muslime in Deutschland. Die soziale Integration ist demnach besser als vielfach angenommen.

Dennoch betonen Politik, Medien und auch Wissenschaft vor allem das Trennende. Sie teilen auf in Einwanderer und Biodeutsche, in Muslime und Christen, in Ihr und Wir. Das macht - allem guten Willen zum Trotz - auch die Islamkonferenz. Deshalb sollte ihre Zeit begrenzt sein. SABINE AM ORDE

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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