DOMINIC JOHNSON ÜBER DIE SELBSTEINSCHRÄNKUNG VON SPANIENS JUSTIZ
: Abschied vom Weltrechtsprinzip

Ein Land räumt sich selbst Sonderrechte über andere ein: Das ist unseriös und überheblich

Das jetzt in Spanien abgeschaffte Weltrechtsprinzip („universal jurisdiction“), wonach die Gerichtsbarkeit eines Landes Verbrechen gegen die Menschlichkeit weltweit verfolgen darf, ist ein gefährlich zweischneidiges Schwert. Es ermöglicht einerseits Gerechtigkeit für Opfer schwerster Verbrechen, die im eigenen Land kein Gehör finden. Andererseits fördert es bei konsequenter Anwendung juristischen Wildwuchs, bei dem sich einzelne Untersuchungsrichter zu Richtern über die ganze Welt aufschwingen. Das Ergebnis kann nur das Recht des Stärkeren sein.

Als der spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón mit seiner Einleitung eines Verfahrens gegen Chiles Militärdiktator Augusto Pinochet das Weltrechtsprinzip erstmals öffentlichkeitswirksam anwandte, war das ein großer Fortschritt: Es erzwang eine überfällige juristische Auseinandersetzung. Aber wenn die Palette der Ermittlungen von Tibet bis Ruanda reicht und von Somalias Piraten bis zur israelischen Armee, wirkt das unseriös und überheblich: Ein Land räumt sich selbst Sonderrechte über andere ein. Es würde sicherlich auf spanischen Protest stoßen, wenn die Justiz beispielsweise in Äquatorial-Guinea ungeklärte Morde im Baskenland aufrollen würde mit dem Verweis auf eben jenes Weltrechtsprinzip.

Seit 2002 gibt es ein Instrument zur internationalen Verfolgung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit: den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Seine bisherige Arbeit ist oft widersprüchliches Stückwerk, aber gerade das verleiht ihr Seriosität. Und seit es ihn gibt, angebunden an Entscheidungsprozesse der UNO und der betroffenen Staaten selbst, gibt es keinen Grund mehr, warum nationale Jurisdiktionen ihre Zuständigkeiten überschreiten sollten. Wer Völkermord und Kriegsverbrechen weltweit ahnden will, sollte Den Haag und die bestehenden UN-Tribunale stärken.