Kommentar Attacke auf Tel Aviver Schwule und Lesben: Mordmotiv unbekannt

So tragisch das Verbrechen nicht nur für die Gemeinde der Tel Aviver Schwulen und Lesben ist, so wenig ist es Ausdruck einer homophoben Atmosphäre in Israels Gesellschaft.

Egal, ob die Schüsse, die in der Nacht zum Sonntag auf die Tel Aviver Lesben und Schwulen abgegeben wurden, aus der Pistole eines homophoben Fanatikers stammen oder von einem Schwulen selbst, es bleibt in jedem Fall das Verbrechen eines Einzeltäters.

So tragisch das Verbrechen nicht nur für die Gemeinde der Tel Aviver Schwulen und Lesben ist, so wenig ist es Ausdruck einer homophoben Atmosphäre oder eines allgemeinen Unverständnisses für die gleichgeschlechtliche Liebe.

Der Anschlag im Lesben- und Schwulenzentrum ereignet sich nicht zu Zeiten eines Harvey Milk, des ersten "geouteten" schwulen Politikers in den USA. Es ist weder die Rede von den 70er-Jahren noch von Teheran oder auch nur Jerusalem, wo ein ähnliches Verbrechen weniger Überraschung ausgelöst hätte. Tel Aviv gehört weltweit zu den liberalsten Städten für Homosexuelle.

Der stete Kampf um mehr Gleichberechtigung ließ die Minderheit in kleinen Schritten einen von Erfolgen gezeichneten Marathon hinter sich bringen. Der Weg durch die Instanzen ermöglichte den Lesben und Schwulen ein fast normales Familienleben. Die breite Solidarität nach dem Attentat und Solidaritätsbekundungen vom Staatschef, Premierminister und der Oppositionsführung signalisieren, dass die öffentliche Botschaft der israelischen Homosexuellen angekommen ist: Hier geht es nicht nur um eine Minderheit, sondern um die gesamte demokratische, pluralistische Gesellschaft.

Die kleine Stadt am Mittelmeer muss sich heute weder hinter San Fransisco noch Berlin verstecken. Daran darf sich auch infolge des Attentates nichts ändern. Weder "low-profile" noch trotzige Provokationen sind die rechte Antwort auf das Verbrechen in Tel Aviv, sondern die Verfolgung des Täters und ein angemessenes Urteil.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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