STEFAN REINECKE ÜBER PEER STEINBRÜCKS SELTSAME WAHLKAMPFMANÖVER
: Wer versteht die SPD?

Der SPD geht es nicht gut. Ob im Saarland und in Thüringen am Ende ein sozialdemokratischer Ministerpräsident herausspringt, ist offen. Die Europawahl endete in einem Debakel.

Doch jetzt, nach dem TV-Duell, in dem sich Steinmeier geschickt von Merkel absetzte, keimt ein kleines bisschen Hoffnung auf für die SPD-Strategen. Vielleicht kann die Partei ja doch wieder, wie 2002 und 2005, im letzten Moment ein, zwei, drei Millionen Unentschlossene mobilisieren. Dazu muss sie vor allem bei der Unterschichtsklientel punkten, die mit Politik wenig am Hut hat und sich über die SPD eigentlich keine Illusionen mehr macht. Ob Steinmeier ein akzeptables Ergebnis erreicht, hängt davon ab, ob er dieser Klientel klarmachen kann, dass Schwarz-Gelb noch übler für sie wird.

Derzeit tut die SPD allerdings einiges, damit dies nicht geschieht. Vor allem Peer Steinbrück beherrscht virtuos die Kunst, seine Erkenntnisse zielsicher zum falschen Zeitpunkt unter die Leute zu bringen. Das war bei seiner späten Kritik an Scholz’ Rentengarantie so. Auch wer zwei Wochen vor der Wahl die internationale Finanzsteuer entdeckt, beeindruckt nur Treuherzige. Nun empfiehlt Steinbrück der SPD, sich häuslich in der großen Koalition einzurichten. Das ist, wie die Finanzsteuer, ein bedenkenswerter Vorschlag. Die große Koalition ist ja wirklich besser als ihr Ruf und vom Konjunkturpaket bis zum branchenspezifischen Mindestlohn sozialdemokratisch getönt. Doch richtig und falsch ist derzeit eine Frage des Zeitpunkts. Und der ist falsch.

Die SPD hat, wenn überhaupt, nur eine Chance, wenn sie eine scharfe Linie gegen Schwarz-Gelb zieht. Stattdessen scheint sie jetzt die Union gleichzeitig zu loben und zu bekämpfen. Wer versteht das?