JUDITH LUIG ÜBER DIE OHNMACHT DES WAHLKAMPFS
: Keine Differenzen im Milieu

Die Grünen fielen nicht auf. Wen der Wahlkampf langweilte, der lag bei ihnen richtig

Es wäre nicht fair, zu behaupten, der Wahlkampf sei komplett ausgefallen. Es war schon interessant, zu sehen – wenn auch erwartbar –, wie alle Parteien in die Mitte drängelten und dann zur Differenzrhetorik griffen: „Wir sind wenigstens nicht so wie die.“ Das galt vor allem für die SPD, der CDU verlieh der Kanzlerinnenbonus eine gewisse Omnipräsenz beim Volk. Aber beeinflusst hat mich das nicht – ich bin Milieuwählerin.

Ansatzweise spannend war lediglich die Plakatschlacht – mal ganz abgesehen vom Tittenwahlkampf in Berlin-Kreuzberg oder den Grünen-Hintern in Kaarst. So viel wie in diesem Jahr war noch nie los an den Litfaßsäulen. Vielleicht auch deswegen, weil Plakate eher Monologe sind und die Auseinandersetzung vor den Kameras zunehmend zum Gefasel wurde. Rührend ernsthaft spielten die kleineren Gruppierungen diesmal bei der teuren Plakatschlacht mit, in meiner Berliner Nachbarschaft allen voran die MLPD mit einem kritisch blickenden Karl Marx. Mein SPD-Kandidat hingegen schaute einfach nur so in die Kamera. Um das wettzumachen, wurde noch ein wenig Kreuzberger SPD- Nachwuchs in den Prenzlauer Berg reingehängt: Björn Böhning, der nicht als Foto, sondern als Avatar zu sehen war, so als wäre das hier nicht ein Plakat, sondern ein origineller Facebookeintrag. Eher abschreckend. Der CDU-Kandidat simulierte auf seinem Wahlfoto eine Session in einer dieser Fotoboxen, die das Berliner Mittevolk für irrsinnig kultig hält. Das soll heißen: „Hey, ich bin so wie ihr.“ In seiner nächsten Plakatwelle sah er dann allerdings aus wie Hähnchen in Aspik, was er mit dem Slogan „Frische Ideen. Erststimme Gottfried“ nur unzureichend konterkarierte.

Die Grünen dagegen fielen nicht auf. Wen der Wahlkampf langweilte, der lag bei ihnen richtig. Und wählt sie aus Tradition. Vielleicht gar nicht das Dümmste.