CONSTANZE KURZ POLITIK VON UNTEN
: Es geht noch viel nackter

Das virtuelle Abtasten am Flughafen nutzt vor allem der Nacktscannerindustrie. Und es ist doch erst der Anfang

Tragen Sie heute unter Ihrer Kleidung mehr als nur die nackte Wahrheit? Dürften wir mal scannen? Das Wort „Scanner“ klingt so modern und segensreich: Flachbett-Scanner, Barcode-Scanner, Fingerabdruck-Scanner, nun auch Nacktscanner, die im verharmlosend-beruhigenden Politiker-Neusprech „Ganzkörperscanner“ heißen. Übersetzt bedeutet es Abtaster, und genau darum geht es.

Das Wort „Nacktscanner“ war auf Platz sieben der Wörter des Jahres 2008, und viele glaubten bis vor kurzem, die Debatte sei vorüber. Doch die Hersteller wollen ihr Schäfchen ins Trockene bringen. Seit 2002 – nunmehr immerhin acht Jahre – wird an der enthüllenden Technik geforscht, da muss endlich ein „Return on Investment“ her. Es gibt zwar noch keine Langzeituntersuchung über Gesundheitsgefahren, aber dafür kann ja bald im größeren Feldtest die reisende Bevölkerung elektromagnetisch bestrahlt werden.

Dass die Nacktscanner gegen im Körper verborgene Sprengmittel nicht helfen und wohl auch die PTFE-gefüllte Unterhose nicht entdeckt hätten, spielt keine Rolle. Die Sicherheitsindustrie schafft schließlich Arbeitsplätze, das Prinzip bewährt sich ja bei der Biometrie in Reisepass und Personalausweis hervorragend. Die verreisenden Kinder, Menschen mit künstlichen Darmausgängen, amputierten oder gepiercten Körperteilen nackert auf einem Display sollten da nicht im Weg stehen.

Doch Nacktscanner sind nur der Anfang. Systeme für Flughäfen, die heute entwickelt werden, sollen zukünftig Verhaltensmerkmale der Reisenden aufzeichnen und auswerten: Bewegungsmuster, vermehrte Lidschläge, Pupillenvergrößerung, Herzschlagfrequenz, Atmungshäufigkeit, Hauttemperatur. Es geht also noch nackter. Vielleicht kann man sich den Besuch beim Arzt zukünftig sparen, die medizinische Analyse wird am Flughafen gleich miterledigt.

Die verstärkten Abgrabbelungen in den letzten Tagen sind quasi die handgreifliche Werbekampagne für die Nacktscanner. Wollen Sie nicht lieber nur kurz virtuell ausgezogen werden, statt intensive Betastung durch echte Menschen zu erdulden?

Mach dich also nackig für den Umsatz der Nacktscanner-Hersteller. Das passende Schlagwort in Anlehnung an die US-amerikanische Transportation Security Administration (TSA) fand sich bereits: TSA-Porno.

Wie sich gerade herausstellte, verfügen die Scanner über einen sogenannten Testmodus, in dem sie die Bilder ungefiltert aufzeichnen und per Netzwerk übertragen. Sicher wird es nicht lange dauern, bis entsprechende Fetisch-Ecken in den Pornoportalen auftauchen. Bei sechs Euro Stundenlohn verspricht so ein Nacktscanbild von Britney Spears oder Kristina Köhler, den Richtigen angeboten, ein schönes Zubrot fürs Bedienpersonal.

Die Autorin ist Sprecherin des Chaos Computer Clubs Foto: privat