DIE STIMMEN DER ANDEREN
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Le Monde (Frankreich)

Der Zorn ist jetzt stärker als die Furcht

Noch vor einigen Tagen war es in Tunesien unvorstellbar, dass Plakate mit dem Bild des Präsidenten abgerissen, mit Steinen beworfen und in Brand gesteckt würden von jungen Leuten, die sich dabei ohne Hemmungen filmen lassen. Der Zorn ist stärker geworden als die Furcht.

Libération (Frankreich)

Nordkorea am Mittelmeer

Seit Beginn der Unruhen, die sein Land ergriffen haben, benimmt sich der tunesische Präsident wie ein Wüsten-Ceausescu. Wir meinen, in Tunesien zu sein, diesem Land voller Kultur und Finesse. Und wir entdecken ein Nordkorea am Mittelmeer. Es ist an der Zeit, die Dinge beim Namen und Ben Ali einen archaischen Despoten zu nennen.

La Repubblica (Italien)

Der Wind hat sich gedreht

Präsident Ben Ali hat sich verrechnet. Es weht ein neuer Wind, und er weht über große Teile der Gesellschaft: Denn tatsächlich demonstrieren nicht mehr nur die Armen und Arbeitslosen, sondern Gewerkschafter, Studenten, Anwälte und Künstler, die den Abzug von Ben Ali, das Ende der Diktatur und Demokratie und Freiheit fordern – ebenjene Freiheit, die es bisher nicht gibt. Doch die Angst, dass die Revolte von Kommunisten oder Islamisten ausgenutzt werden könnte, ist bei vielen Protestierenden groß.

NRC Handelsblad (Niederlande)

Westlicher Strategiefehler

Tunesien und andere arabische Länder sind lange im Kontext des Nahostkonflikts beurteilt worden. Wenn sie sich gegen die Hamas wandten und nicht gemeinsame Sache machten mit Syrien und dem Iran, kam man repressiven Regimen entgegen. Mit diesem Ansatz muss Schluss gemacht werden.

Le Progrès (Frankreich)

Ende der Urlaubsidylle

Wie schön war doch das Tunesien unter Ben Ali. Zumindest für uns, die Touristen. In diesem schönen Land konnten wir unter Ben Ali spazieren gehen, ohne Diebe fürchten zu müssen. Ohne uns von Bärtigen anmachen lassen zu müssen, die über unsere Shorts und nackten Rücken schockiert waren. Ohne ständig bettelnde Kinder abwimmeln zu müssen. Mit solchen Traumferien ist es vermutlich vorerst zu Ende.

Les Echos (Frankreich)

Die Revolte begann im Landesinneren

Es fällt auf, dass die Unruhen, die Tunesien erschüttern, im Landesinneren begannen, weit entfernt vom Tourismus und dem Wohlstand der Handelsstädte an der Küste. Dort, wo von den Einnahmen aus dem wirtschaftlichen Fortschritt am wenigsten ankommt.

Kurier (Wien)

Wer von Ben Ali profitierte

Ben Ali ist, anders als die Videos aus seinem Land insinuieren, nicht allein: In der Zeitung Le Temps lancierten „tausend Persönlichkeiten in Entscheidungsfunktion“ einen Appell, Ben Ali möge sein Werk „vollenden“. Diese Profiteure des Systems brauchen einen Umsturz und Chaos in einer ohnehin schwierigen Region so wenig wie USA und EU.

Sud-Ouest (Frankreich)

Schreckgespenst des Islamismus

Das Hauptargument dieses laizistischen Diktators lautet, er stelle einen Schutzwall gegen den islamischen Fundamentalismus dar. Doch dieses Argument, sollte es denn je einmal fundiert gewesen sein, gilt hier nicht. Bei den Unruhen geht es nämlich um soziale Fragen, nicht um religiöse.