DIE STIMMEN DER ANDEREN
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Gazeta Wyborcza (Polen)

Eingreifen tut not

Je mehr die Führer der westlichen Welt versichern, dass eine militärische Intervention unmöglich sei, desto wahrscheinlicher erscheint sie. In Libyen tobt bereits ein Bürgerkrieg. Es sieht so aus, als ob es ohne Eingreifen von außen keine Chance auf Frieden geben kann. Keine Konfliktseite ist stark genug, um den Gegner zu besiegen. Niemand auf der Welt, der ernst genommen werden will, denkt noch an Verhandlungen mit Gaddafi. Nachdem Frankreich den libyschen Revolutionsrat offiziell anerkannt und Portugals Außenminister Luis Amado dem Abgesandten des Diktators gesagt hat, Gaddafis Regime sei am Ende, ist die Zeit reif für weitere Schritte. Auf dem Spiel steht die Glaubwürdigkeit des Westens, der UN und der Arabischen Liga.

Neue Zürcher Zeitung (Schweiz)

Rambo verweigert sich

Dumm ist, dass die Amerikaner zögern, denen man sonst so gerne Rambo-Allüren unter die Nase reibt, die dann aber Gott sei Dank doch immer wieder eingreifen, wenn es im europäischen Saustall zum Himmel stinkt. Jetzt aber macht der Rambo nicht mehr mit, weil er seine Kräfte zu sehr verzettelt hat. Auch lässt er durchblicken, dass er keinerlei Lust hat, einmal mehr die Kastanien aus dem Feuer zu holen und Ghadhafi in die Hölle zu schicken, um danach wieder die wohlfeilen Vorwürfe aus den Kapitalen der feinen Manieren zu kassieren. In Rom aber, wo sich die besten Kumpane des libyschen Regimes jetzt ducken, in Paris, London oder Berlin erkennt man konsterniert, dass man allein gar nicht eingreifen könnte.

Der Standard (Österreich)

Sarkozy pflegt sein Image

Sarkozy lässt Gaddafi, mit dem er erst 2007 milliardenschwere Geschäfte in den Bereichen Atomenergie und Rüstung abgeschlossen hatte, also endgültig fallen. Ausschlaggebend für Sarkozys Aktion war zweifellos ein Versuch, Frankreichs verblassendes Image im Maghreb aufzupolieren – und dazu gleich auch noch aus einem persönlichen innenpolitischen Tief herauszukommen. Schnelle Entschlüsse sind in Kriegszeiten manchmal nötig. Aber es wäre zweifellos besser, wenn sich die EU-Mitglieder über diesen Ernstfall einig würden, bevor Pläne publik werden. Falsche Hilfe kann den Rebellen nur schaden.

Libération (Frankreich)

Französischer Alleingang

Frankreich, das auf diplomatischer Ebene seit Beginn der arabischen Revolutionen völlig verloren ist, will nun das Land sein, das Europa und die internationale Gemeinschaft mit ihrer moralischen und humanitären Verantwortung in Libyen konfrontiert. Und dies mit zweierlei Instrumenten: auf symbolischer Ebene mit der Anerkennung der Legitimität der libyschen Oppositionellen. Auf militärischer Ebene mit etwaigen „gezielten“ Angriffen. Vielleicht ist diese Initiative opportun. Doch sie wurde vom Präsidialamt solo ergriffen und hat unseren Außenminister Alain Juppé sichtlich verblüfft. Und unsere europäischen Partner hätten eine gemeinsame Position zu einer Krise vorgezogen, die aus militärischer, juristischer und diplomatischer Sicht gemeinsame Lösungen erfordert.

Il Manifesto (Italien)

Aus Libyen ein Schrei nach Freiheit

Der in Italien lebende libysche Journalist Farid Adly schreibt über die Opposition in seinem Heimatland: „Wir verneinen nicht, dass es internationale Planspiele gibt, wie man Zugriff auf das libysche Öl bekommen könnte. Aber die libysche Revolution 2011 wird nicht angeführt von Marionetten des Imperialismus, sondern von der Jugend und von Demokraten, die ihre Geschichte im Land selbst haben. Der Fall der Mauer der Angst hat sie auf den Spuren der tunesischen und ägyptischen Erfahrung dazu gebracht, das Haupt gegen die Tyrannei zu erheben. Wenn wir diesen Schrei nach Freiheit nicht in den Mittelpunkt all unserer Überlegungen stellen, diesen Schrei, der von unten kommt, dann werden wir nichts verstehen von den Gründen der Revolte, die die arabischen Länder erfasst hat gegen die Monster, die schon viel zu lange an der Macht sind. Die libysche Opposition ist nicht monarchistisch eingestellt. Diese Strömung ist sehr klein. Ich selbst hätte mit der roten Fahne demonstriert anstatt mit der des Königs. Aber ich und meine Generation spielen in dieser Revolution überhaupt keine Rolle.