RUDOLF BALMER ZUM OUTING DER STRAUSS-KAHN-KLÄGERIN NAFISSATOU DIALLO
: In the name of the „Newsweek“

Zumindest die Neugier wurde gestillt. Seit Mitte Mai wollten vor allem in Frankreich alle wissen, wer denn diese Nafissatou Diallo ist, die dem angeblichen Fast-schon-Präsidenten Dominique Strauss-Kahn in New York zum Verhängnis wurde. Jetzt hat sie ihr Gesicht gezeigt, und nicht nur das: In einer dieser typischen amerikanischen Fernsehshows hat sie ihre Story erzählt. Mit Details, und wo ihr die Worte fehlten, unterstrich sie ihre Schilderung mit vielen Gesten.

Diese Frau, die sich da vor den Kameras als Opfer eines brutalen Sexualverbrechers bezeichnet, hat das Recht, an die Öffentlichkeit zu gelangen. Ihr Fernsehauftritt bei ABC, parallel zu ihrem Interview in Newsweek, wäre glaubwürdiger, wenn man nicht wüsste, dass er seit Wochen einstudiert wurde und dass ein auf Medienkampagnen spezialisierter Anwalt Regie führte. Das Fernsehinterview hinterlässt bei den Betrachtern in Frankreich darum gemischte Gefühle. In die aufrichtig wirkende Darstellung mischen sich theatralische Momente. Hängt das mit einer anderen Fernsehkultur oder der afrikanischen Herkunft von Nafissatou Diallo zusammen? Gewiss, vielleicht aber nicht nur. In Frankreich wächst nach diesem Anklageplädoyer in den Medien das Unbehagen, auch bei jenen, die Strauss-Kahn nicht für ein Unschuldslamm halten. Unvoreingenommen ist ohnehin niemand mehr. Statt Zweifel auszuräumen, hat das „Outing“ der Klägerin die „Malaise“ vergrößert. Erneut wird die Medienöffentlichkeit zum Richter gemacht.

Der Versuch, über die Medien Druck auf eine anscheinend zögernde Staatsanwaltschaft auszuüben, ist ein Zeichen der Schwäche. Auch das soll nicht Diallos Schuld sein, Sie darf als mutmaßliches Opfer erwarten, dass ihre Anschuldigung gebührend ernst genommen wird. Das Medienspektakel von ABC war diesem Anliegen nicht dienlich.