Kommentar Frankreichs Atomkonsens: Wunsch gegen Wirklichkeit

Die Zustimmung zur Atomkraft in Frankreich scheint zu bröckeln. Schaut man genauer hin, ist es komplizierter. In den Köpfen vieler überwiegt der Nutzen die Gefahren.

Auf den Wirtschaftsseiten der französischen Zeitungen hat die Meldung, dass der Atomkonzern Areva fast 3.000 Arbeitsstellen streichen wird, nicht nur für Schlagzeilen gesorgt.

Dass Areva in Deutschland zwei Filialen dichtmacht nach dem Atomausstiegsbeschluss, leuchtet in Frankreich noch ein. Dass aber auch ein Abbau in Frankreich vorgesehen ist, wird bis hin an die Spitze der Republik als Dolchstoß für den traditionellen Atomkonsens empfunden.

Erstens war dieser Moloch der staatlichen Atomtechnologie von Beginn an mit öffentlichen Geldern gefüttert worden. Zweitens versprechen die Staatsführungen seit jeher, für Frankreichs Wirtschaft und Energieversorgung gebe es keine Zukunft ohne Atom. Arevas Sparprogramm wirkt da wie ein ätzender Zweifel an den eigenen Perspektiven.

Spätestens seit Fukushima verstärken sich die Skepsis und die Ablehnung. Noch unter dem direkten Eindruck der Reaktorkatastrophe wünschten laut Umfragen zwei Drittel einen Ausstieg. Ist dies nun die von Atomgegnern erhoffte Trendwende? Die Stimmungslage ist komplizierter.

In einem Land, das fast 80 Prozent seiner Elektrizität aus AKWs bezieht und den Atomstrompreis künstlich tief hält, fürchten die Konsumenten die konkreten Kosten eines Verzichts, den sie als Staatsbürger grundsätzlich als wünschenswert bezeichnen.

Der neue Megareaktor EPR von Flamanville illustriert diese gespaltene Meinung: Eine Mehrheit will ihn nicht, aber vor Ort triumphiert der resignierte Pragmatismus: Es geht um Arbeitsplätze, 3 von 6 Milliarden Euro sind bereits investiert. Rar sind vor allem die Politiker, die den Mut haben zu sagen, dass dieses Geld vergeudet wurde. Denn nichts ärgert die Franzosen mehr als herausgeworfenes Geld.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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