Kommentar EZB: Einsames Deutschland

Es war und ist egal, ob der EZB-Chefvolkswirt ein Deutscher ist - am Ende entscheidet die Mehrheit. Und von einer Mehrheit ist Deutschland weit entfernt.

Was ist mit dem deutschen Einfluss?! Diese Frage hat die deutsche Debatte stets dominiert, sobald es um den Posten des Chefvolkswirts bei der Europäischen Zentralbank (EZB) ging. Regierung und Medien haben suggeriert, dass es unbedingt ein Deutscher werden müsse - weil sonst die leichtsinnigen Südeuropäer die Gelddruckmaschine anwerfen würden.

Dieser Nationalismus ist so absurd, dass er schon wieder lustig ist. Denn es war und ist egal, ob der EZB-Chefvolkswirt ein Deutscher ist. Deswegen ist es auch folgenlos, dass niemand Jörg Asmussen diese Aufgabe zugetraut hat und er jetzt mit dem Posten eines EZB-"Außenministers" abgefunden wurde. Denn wie immer die Titel auch klingen mögen - am Ende entscheidet die Mehrheit in der EZB. Und von einer Mehrheit ist Deutschland weit entfernt.

Im EZB-Rat haben alle Euro-Notenbanken eine Stimme - das kleine Malta genauso wie das große Deutschland. Die Bundesbank müsste also Bündnisse mit anderen Notenbanken schließen, wenn sie sich dennoch durchsetzen wollte. Doch sind inzwischen fast alle potenziellen Bündnispartner abhandengekommen. Selbst Österreich - den Deutschen sonst meist treu verbunden - findet den Kurs der Bundesbank absurd. Der Grund ist denkbar banal: Die Eurokrise hat jetzt auch Österreich erfasst. Die Risikoaufschläge für österreichische Staatsanleihen steigen.

Viele Deutsche denken noch immer, dass sich die Eurokrise eindämmen ließe und nur Südeuropa beträfe. Tatsächlich aber hat sich die Krise längst bis in den Kern der Eurozone vorgefressen - und Frankreich, Belgien und sogar Finnland erreicht.

Es dürfte daher nicht mehr lange dauern, bis die EZB-Mehrheit dafür stimmt, dass die Zentralbank unbeschränkt Staatsanleihen aufkauft. Die spannende Frage ist nur noch, ob Asmussen dann dem Beispiel seiner deutschen Vorgänger folgt: Wird auch er beleidigt zurücktreten?

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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