Kommentar Fischsiegel: Das Siegel-Chaos

Aigners Idee, nachhaltig gefangenen Fisch zu kennzeichnen, ist nicht nur überflüssig sondern auch kontraproduktiv. Denn diese Kennzeichnung gibt es schon längst.

EU-Biosiegel, deutsches Biosiegel nach EG-Ökoverordnung, Siegel für regionale Produkte und Siegel der deutschen Landwirtschaftsgesellschaft, Demeter, Naturland, Fairtrade, MSC – das nur mal als Auswahl an Siegeln, die derzeit im Supermarkt zu finden sind. Und dabei geht es nur um Lebensmittel.

Alles was in Siegelform auf bestimmte Merkmale von Kosmetika, Elektronikprodukten, Kleidung, Blumen oder Schreibwaren hinweist, kommt noch dazu. Der Begriff Dschungel beschreibt es ganz gut.

Jetzt also ein neues Siegel für nachhaltig gefangenen Fisch, so wünscht es sich Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner. Den Verbrauchern fehle es an Informationen, findet die CSU-Politikerin.

Der Kauf von Fisch nach einigermaßen umweltbewussten Kriterien ist tatsächlich nicht einfach. Doch am Informationsmangel scheitern wird er nicht, eher daran, auf welcher Grundlage man sich entscheidet.

ist Öko-Redakteuerin der taz.

Richtet man sich nach dem Biosiegel der Ökoverordnung, dem Greenpeace-Ratgeber, nach dem Siegel des Marine Stewardship Council (MSC), dem Safe-Siegel für delfinfreundlichen Fang oder sollte man eigentlich gar keinen Meeresfisch essen?

Dazu kommt das grundsätzliche Problem von Siegeln: Information schaffen sie nur bis zu einem gewissen Punkt. Danach ist der Verbraucher sich selbst überlassen.

So wird die Verantwortung verlagert: Statt nachhaltigerer Regeln für den Fischfang, die nicht die Interessen der Industrie bedienen, sondern zum Schutz der Bestände und der Umwelt führen, gibt es eben ein Siegel – und die Hoffnung, dass sich der Verbraucher in seiner Mündigkeit schon gut informiert für das Richtige entscheiden werde.

Was die Idee schließlich komplett überflüssig macht: Das Fischsiegel soll freiwillig sein. Und nur EU-weit, wo das MSC-Siegel doch längst weltweite Standards setzt.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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