DIE STIMMEN DER ANDEREN
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■ La Repubblica (EU)

Zucker und Peitsche für Athen

Es gibt einen kleinen Lichtblick für Griechenland. Ein „window of opportunity“, um ein noch tieferes Absacken Athens in die Rezession zu verhindern oder sich in der Situation wiederzufinden, zur Drachme zurückkehren zu müssen. Diese Chance wird sich Anfang Oktober ergeben, das haben die europäischen Führer – Falken wie Tauben – beschlossen. So werden alle Entscheidungen um einen Monat verschoben. Von Merkel bis Hollande, Monti und Juncker sind die Akteure über ihre politischen Kanäle übereingekommen, dass in der derzeitigen Lage niemand dem Griechen Samaras ein Zeichen des Nachgebens gibt. Was sie sagen, muss übereinstimmen und Athen dazu auffordern, seiner Verantwortung nachzukommen, die gemachten Versprechen zu respektieren und mit den Reformen fortzufahren. Zuckerbrot und Peitsche also.

■ de Volkskrant (EU)

Griechen spielen mit Bankrott

Die Griechen spekulieren darauf, dass die EU und der IWF es nicht wagen, ihr Land pleitegehen lassen, weil gefürchtet wird, dass so ein Bankrott auf andere schwache Länder wie Spanien, Portugal und Italien übergreifen könnte. Wie lange das Argument noch zieht, ist unklar. In europäischen Regierungskreisen wird immer offener ein griechischer Abschied vom Euro erwogen. Ob Samaras die nötigen Liberalisierungen und Privatisierungen durchsetzen kann, ist zweifelhaft. Seine Regierungskoalition ist instabil. Die Gewerkschaften haben Widerstand angekündigt. Und der radikal-linke Oppositionsführer Tsipras fordert, dass Griechenland den größten Teil seiner Staatsschulden nicht zurückzahlt. Die zwei Jahre mehr Zeit, auf die Samaras hofft, verspottet er als „Verlängerung des Seils, mit dem wir uns selbst aufhängen“.

■ Sud-Ouest (EU)

Merkels Kampf

Abgewürgt durch den Sparkurs, hätte Griechenland gerne zwei Jahre Aufschub, um seine Ruinen wegzuräumen. Denn Zeit ist Geld. Angela Merkel macht diesmal Druck, schneller zu sein. Indem sie das tut, will sie selbst Zeit gewinnen im innenpolitischen Kampf, den sie sich mit dem rechten Flügel ihrer Partei liefert, mit den Richtern in Karlsruhe und einer Linken, die nun sagt, sie werde keinem Euro mehr für Athen zustimmen.

■ Neue Zürcher Zeitung (Steueroase)

D-Land nicht in Geberlaune

In Geberlaune ist Deutschland nicht. Die konsequente Haltung Berlins bringt den verbreiteten Argwohn zum Ausdruck, Athen nütze den starken deutschen Wunsch, „Europa“ möge samt dem Euro gelingen, aus, um immer neue Konzessionen herauszuschlagen. In Europa aber steht Berlin isolierter da denn je. Der Chef der Euro-Gruppe, Juncker, hat bereits klargemacht, dass er bereit wäre, Athen Aufschub zu gewähren. Hollande, der Sozialist, versteht den Wunsch der Griechen nach Milde ebenfalls gut. Auch die deutsche Opposition hegt etwas mehr Sympathie für Samaras als die Regierung. Sozialdemokraten, Grüne und Linke sind dagegen, dass sich Athen „kaputtspart“. Die SPD könnte sich deshalb eine – klar bedingte – Fristenerstreckung vorstellen.

■ La Stampa (EU)

Syrien und Spanien 1938

[Im spanischen Bürgerkrieg] stand auf der einen Seite Franco, dessen mächtige und gnadenlose Armee schamlos von den Alliierten, also den faschistischen Regimes Deutschlands und Italiens, mit Waffen beliefert wurde. Heute steht auf dieser Seite Assad, der entschlossen ist, das Syrien der Rebellen in Schutt und Asche zu legen – mit Kampfflugzeugen, Hubschraubern, Waffen und Panzern, die Russland und China schamlos liefern. Auf der anderen Seite standen damals Spaniens Republikaner. Die westlichen Demokratien halfen ihnen nicht. Und heute helfen sie – abgesehen von ihrem leeren Gerede – der Freien Syrischen Armee nicht. Mit seiner als geopolitischer Vorsicht getarnten Feigheit treibt der Westen die syrischen Rebellen Tag für Tag in die Fänge des islamischen Fanatismus. So wird der Kampf eine andere Form annehmen, die uns wenig gefallen wird: Terrorismus. Dabei werden die Rebellen nicht vergessen, dass wir nichts getan haben. Quelle: dpa