Die neue Blase am Markt

FREITAGSCASINO VON ULRIKE HERRMANN Die digitale Währung Bitcoin soll demokratischer sein als Geld. Das ist Unfug

■ ist Wirtschaftskorrespondentin der taz. Im September erschien ihr Buch: „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Westend).

Wie funktioniert Geld? Diese Frage beschäftigt die Menschen, seitdem es Geld gibt, also seit Jahrtausenden. Neuerdings gibt es eine weitere Variante, wie man Geld verstehen kann. Sie nennt sich Bitcoins. Wie der Name sagt, soll es sich um digitales Geld handeln, das durch komplizierte Algorithmen per Computer erzeugt wird.

Diese Bitcoins wurden 2009 erfunden, und im Internet kann man damit auch Computerspiele oder Designdienstleistungen kaufen. Trotz dieser eher eingeschränkten Nutzbarkeit haben es die Bitcoins zu großen Ehren gebracht: Die Bundesbank findet sie so bedrohlich, dass sie regelmäßig davor warnt. In dieser Woche hieß es wieder, Bitcoins seien „hochspekulativ“.

Wie richtig diese Einschätzung ist, lässt sich am Kursverlauf im Jahr 2013 erkennen. Anfangs kostete ein Bitcoin etwa 13 Dollar, sprang in wenigen Monaten auf 266 US-Dollar, und stürzte in nur einem Tag auf weniger als 100 Dollar ab. Im November stieg der Preis plötzlich auf mehr als 1.200 Dollar und reduzierte sich erneut auf 475 Dollar. Jetzt steht der Bitcoin wieder bei etwa 1.000 Dollar.

Ein Märchen, beliebt bei Linken

Selbst Aktien schwanken nicht so dramatisch, und Währungen schon gar nicht. Es stellt sich daher eine naheliegende Frage: Sind Bitcoins wirklich Geld?

Seine Schöpfer behaupten dies natürlich. Sie schwärmen von einer „demokratischen Währung“, die ihren Nutzern gehören würde. Nicht mehr der Staat oder die Banken würden das Geld kontrollieren – sondern gleichberechtigte Bürger an ihren Computern.

Das klingt so anarchisch-widerständig, dass Skepsis meist nicht aufkommt. Dabei wäre eine Frage: Wer kontrolliert die Bitcoin-Herstellung tatsächlich? Wer also kassiert die Seigniorage? Denn eine Seigniorage entsteht immer, sobald Geld kreiert wird.

Seigniorage stammt von Seigneur, dem französischen Wort für Herrscher. Im Mittelalter durften nur die Fürsten Geld prägen, und sie wussten schon damals ganz genau, wie man davon profitiert, dass sich die Funktion des Geldes nicht mit den Kosten seiner Herstellung deckt. Sie brachten Münzen mit geringem Edelmetall in Umlauf, die aber angeblich einen hohen Wert besaßen. Dieser Trick funktionierte, weil das gepanschte Geld seinen Zweck erfüllte: Man konnte dafür Waren kaufen. Wichtig an dem Geld war nicht, wie viel Silber es enthielt – sondern dass es nicht beliebig vermehrt werden konnte. Dies garantierte der Fürst.

Genauso ist es heute: Der Staat prägt Münzen oder druckt Geldscheine, die bei der Herstellung nur wenige Cent kosten – aber obendrauf prangt ein Wert von bis zu „500 Euro“. Die Differenz kassiert der Staat.

Wer stellt die Bitcoins her?

Um zu den Bitcoins zurückzukehren: Irgendjemand in den Weiten der Internetwelt stellt sie her – und kassiert bis zu 1.200 Dollar pro Münze. Wer ist das? Doch zum Thema „Seigniorage“ findet man in den elaborierten Selbstdarstellungen nichts, die die Bitcoin-Aktivisten ins Netz stellen.

Stattdessen gerieren sich diese unbekannten Größen ganz als Fürst – und versprechen, dass niemals mehr als 21 Millionen Bitcoins in Umlauf kommen werden. Sie halten ihre Ware knapp, auf dass die Seignorage fließen möge. Es sei ihnen gegönnt, dass sie zu Millionären werden und es Dumme gibt, die 1.200 Dollar für einen Bitcoin ausgeben – weil sie irrtümlich glauben, dass es sich um eine „demokratische Währung“ handeln würde.

Bei der Seigniorage funktionieren die Bitcoins wie Geld, aber macht sie das zu Geld? Zentrales Merkmal der Bitcoins ist, dass sie nicht flexibel sind, sondern auf die erwähnten 21 Millionen Münzen begrenzt bleiben. Bitcoin-Fans glauben, dies würde ihre digitale Währung sicher machen. Tatsächlich folgt aus dieser absoluten Obergrenze, dass Bitcoins kein Geld sind.

Zum Wesen des Geldes gehört, dass es sich der Nachfrage anpassen und bei Bedarf expandieren kann. Deswegen steigt der Kurs des Geldes auch nie, wie es jetzt die Bitcoins tun. Diese Flexibilität bei der Geldversorgung ist nicht erst in der Moderne zu beobachten. Schon im Mittelalter haben Kaufleute Geld geschöpft, indem sie Wechsel ausstellten. Damit ergänzten sie die Münzen, die die Fürsten prägten.

Dennoch hält sich das Gerücht, dass es eine gute alte Zeit gegeben hätte, in der die Menge des Geldes angeblich stabil war – wodurch dann sein Wert garantiert wurde. Dieser Mythos heißt „Goldstandard“.

Bitcoins sind eine Blase, die sich wie jede Blase durch eine „Story“ aufpumpt, die ein neues Zeitalter verspricht

Mythos Goldstandard

Die Bitcoin-Macher arbeiten heftig an der Legende, dass sie einen neuen Goldstandard kreieren würden. In den Erklärvideos auf bitcoin.org wird die vermeintliche Analogie zwischen Goldmünze und Bitcoin verbal wie grafisch bemüht: Wer Bitcoins an seinem Computer herstellt, heißt „Bitcoin Miner“, und illustriert wird dies mit einem Bergeisen, das auf einen Stein einschlägt.

Doch es liegt ein Irrtum vor: Der Goldstandard hat im 19. Jahrhundert nur funktioniert, weil er die Expansion der Geldmenge nicht behindert hat. Es wurde einfach Buchgeld auf Bankkonten geschaffen, wie die Statistiken des deutschen Kaiserreichs zeigen. 1876 lag die Geldmenge bei 6,9 Milliarden Mark, 1913 waren es 43,7 Milliarden. Die Goldbestände nahmen nicht entsprechend zu, was aber nicht störte. Die Mark behielt trotzdem ihren Wert. Denn die Geldmenge vermehrte sich nicht im luftleeren Raum, sondern hat ein enormes Wirtschaftswachstum finanziert. Das Verhältnis von Geld und Waren blieb im Gleichgewicht, so dass es nicht zu einer Inflation kam.

Wenn Bitcoins keine Alternative zum gegenwärtigen Geld sind, was sind sie dann? Ein Spekulationsobjekt. Anleger haben rund 10 Milliarden Dollar in Bitcoins investiert, weil sie auf Kurssteigerungen hoffen. Bitcoins sind eine Blase, die sich wie jede Blase durch eine „Story“ aufpumpt, die ein neues Zeitalter verspricht. Diesmal ist es die Fiktion von einer „demokratischen Währung“.

Auch die Bitcoin-Blase wird platzen, fragt sich nur, wann. Die Verlierer sind dann jene, die als Letztes kamen. Also raus aus Bitcoin!