CHRISTIAN RATH ÜBER DAS KOPFTUCHURTEIL DES BUNDESARBEITSGERICHTS
: Nicht nachvollziehbar

Ein Spieler vom FC Bayern sollte auch kein Trikot von Borussia Dortmund tragen. Mit solchen Vergleichen wollen Kirchenjuristen plausibel machen, warum ein Verbot muslimischer Kopftücher in evangelischen Einrichtungen geradezu denklogisch ist. Das Christentum ist eben ein anderer Klub! Na, wenn das die einzige Botschaft ist, die noch übrig ist.

Das Bundesarbeitsgericht hat nun die Position der Kirche bestätigt. Es musste dabei aber nicht entscheiden, ob die Kirche hier die christlichen Werte von Nächstenliebe und Barmherzigkeit richtig interpretiert. Es musste auch nicht fragen, „was Jesus getan hätte“, der bekanntlich ein gespanntes Verhältnis zu Pharisäern hatte. Für die Erfurter Richter ging es vielmehr um eine Abwägung zweier Verfassungswerte: die Glaubensfreiheit einer muslimischen Krankenschwester kollidierte mit dem Selbstbestimmungsrecht einer evangelischen Einrichtung. Die Richter gaben dabei der Kirche in vollem Umfang den Vorrang.

Diese Einseitigkeit ist nicht nachvollziehbar. Immerhin werden kirchliche Sozialeinrichtungen ganz überwiegend vom Staat und der Sozialversicherung finanziert, der Finanzanteil der Kirchen liegt meist deutlich unter zehn Prozent. Und es ist in manchen Gegenden gar nicht so einfach, eine Sozialeinrichtung ohne christliche Vereinsfarben zu finden. Etwas mehr Ausgleich wäre da durchaus angebracht.

Die muslimische Krankenschwester hat ihrerseits jedenfalls genügend Kompromissangebote gemacht, bis hin zur Bereitschaft, eine christliche Nonnenhaube aufzuziehen. Wenn nicht einmal solche super-pragmatischen Vorschläge aufgegriffen werden, wie soll da ein tolerantes Zusammenleben gelingen. Kleinmut und Engstirnigkeit gibt es schon genug.

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