Die Tragik des Daniel Bahr

Die vielleicht größte Anerkennung zollten seine Beamtinnen und Beamten Daniel Bahr (Foto), als der FDP-Minister kurz vor Weihnachten 2013 das Bundesgesundheitsministerium an den Wahlsieger Hermann Gröhe (CDU) übergeben musste: Mit einer „Bilanz in Dur“, einer a cappella vorgetragenen Hymne auf sämtliche Gesetze, Verordnungen und Gebührenordnungen, die während Bahrs Amtszeit in Kraft getreten waren, verabschiedete der „BMG-Projektchor“ den Mann, der die deutsche Gesundheitspolitik vier Jahre lang – erst als Staatssekretär, dann als Minister – auf einen harten Privatisierungskurs hatte trimmen wollen.

Der „Pflege-Bahr“, eine staatlich subventionierte Altersvorsorge vor allem zu Gunsten der Privatassekuranz, steht symbolhaft für seine Politik, die soziales Desinteresse gepaart mit Kaltschnäuzigkeit als Eigenverantwortung und Liberalität zu propagieren suchte. Dass Bahr dennoch, anders als etwa seine Vorvorgängerin Ulla Schmidt (SPD), als Minister beliebt war, lag nicht bloß an den formvollendeten Manieren des heute 37-Jährigen: Parteiübergreifend galt Bahrs gesundheitspolitische Expertise als unbestritten, seine durchaus globale Sicht auf Probleme ebenso. Umso befremdlicher, dass Bahr nun als Generalbevollmächtigter bei der Konzerntochter Allianz Private Krankenversicherung anheuert. Ein gesundheitspolitischer Thinktank, eine internationale Organisation – das hätte gepasst. Aber die PKV? Eine anachronistische Branche auf dem sterbenden Ast? LobbyControl und das Parlament mögen jetzt Skandal rufen und Karenzzeit fordern – Bahrs persönliche Tragik ist eine andere. Sein Fall spiegelt den Tiefststand wider, auf dem die Liberalen angekommen sind: Als Ex-FDP-Minister ist man wirklich nur noch bei der PKV gefragt. HEIKE HAARHOFF