MARTIN REEH ÜBER DIE HARTZ-IV-BILANZ DER SPD
: Die Fragen von gestern

Was hat die SPD den Opfern ihrer Politik als Wiedergutmachung anzubieten? Nichts

Nein, so einfach wird es der SPD nicht gelingen, die Debatte über Hartz IV abzuschließen und durch die Agenda-Politik verlorene Wähler zurückzuholen. Im Gegenteil: Noch einmal atmet der Süddeutschen-Artikel von Sigmar Gabriel und Andrea Nahles den zynischen Unterton der Schröder-Jahre, wenn sie apodiktisch feststellen, nun sei es an der Zeit, den Blick nach vorne zu richten.

Viele Langzeitarbeitslose können das nicht. Hartz IV hat ihre beruflichen Perspektiven mit sinnlosen Jobs des zweiten Arbeitsmarkts und ebenso sinnlosen Fortbildungen zerstört. Man kann aber keine Hartz-IV-Bilanz ziehen, ohne über die Realität der Jobcenter zu sprechen: davon, dass mit der Androhung von Sanktionen ALG- II-Empfänger zu Maßnahmen gezwungen werden, die offiziell ihre Vermittlungsfähigkeit in den ersten Arbeitsmarkt verbessern sollen, tatsächlich aber gebrochene Lebensläufe hinterlassen – und nur den Maßnahmenträgern nützen. Kommunen, die reguläre Arbeitsplätze in 1-Euro-Jobs umwandelten, haben davon ebenso profitiert wie die AWO und andere Wohlfahrtsverbände.

Was hat die SPD den Opfern ihrer Politik als Wiedergutmachung anzubieten? Eine tariflich bezahlte Stelle im öffentlichen Beschäftigungssektor? Einen mehrfachen Ausgleich bei den Rentenpunkten? Wenigstens zukünftig den Verzicht auf Sanktionen, wenn sie solche Maßnahmen ablehnen? Oder ein Eingeständnis, dass auch hier etwas falsch gelaufen ist? Gabriel und Nahles bieten nichts an, sie schweigen dazu.

15 Millionen Menschen haben seit 2005 Hartz IV bezogen, hat der DGB kürzlich ausgerechnet. Die SPD kann sich leicht ausrechnen, weshalb sie seitdem um 25 Prozent herumkrebst: Die Fragen von gestern, die Gabriel und Nahles nicht beantworten wollen, blockieren die Zukunft der SPD.

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