Die ruhige Bahnerin

Getrennt marschieren, gemeinsam kämpfen – so wirkt es, was die Gewerkschaften bei der bundeseigenen Deutschen Bahn gerade aufführen. Während der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselksy, ganz großen Bahnhof veranstaltet, um für seine Organisation das meiste herauszuschlagen, konnte sich Regina Rusch-Ziemba (Foto) ganz gemütlich zurückhalten. Ein paar wortreiche Tarifgespräche – und schon hatte sie, die gelernte Bauzeichnerin, in dieser Woche als Verhandlungsführerin der großen Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG für die Beschäftigten ein Ergebnis herausgeholt, das sich sehen lassen kann: 5,1 Prozent mehr Lohn; dazu eine monatliche Mindestlohnsteigerung von 120 Euro, die vor allem den Geringverdienern nützt.

Wüsste man nicht, dass sich GDL und EVG spinnefeind sind – man könnte meinen, dass sich die Gewerkschaften auf eine geschickte Strategie geeinigt hätten. Wenige streikerprobte Lokführer gehen in den Ausstand, was die Streikkasse schont, und am Ende bekommen alle Kollegen ordentlich mehr, weil es eben nur gemeinsam geht – bei der Arbeit und im Arbeitskampf. Aber so ist es nicht: Für Rusch-Ziemba, die ruhige Hanseatin, war der gute Abschluss auch deshalb leicht, weil die Bahn damit die Latte für die GDL, die sich derzeit in der Schlichtung befindet, recht hoch hängt.

Denn sowohl Bahn als auch EVG wollen unterschiedliche Tarifregeln für gleiche Berufsgruppen verhindern – was die GDL partout möchte, um ein Alleinstellungsmerkmal zu haben. Dass die GDL damit den Grundwert „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ missachtet, ist Weselsky egal. Aber nicht Rusch-Ziemba, die noch einen Trumpf im Ärmel hat: Sollte Weselsky mehr herausholen, hat sie ein Sonderkündigungsrecht. RICHARD ROTHER