Schünemann versus Schäuble

Beim Bleiberecht haben sich die Großkoalitionäre in Berlin vom hannoverschen Hardliner entfernt: Niedersachsens CDU-Innenminister attackiert seinen Parteikollegen, den Bundesinnenminister

VON KAI SCHÖNEBERG

Die CDU wird immer mehr zu einer normalen Partei: Jetzt können die Christdemokraten auch wie die Kesselflicker öffentlich streiten. Zum Beispiel die CDU-Innenminister – die allerdings kabbeln sich derzeit auf dem Rücken von geduldeten Flüchtlingen. „Manchmal sind große Koalitionen so, dass man Unsinniges beschließen muss“, sagte gestern Niedersachsen Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Auch mit den schönen Worten, „ich bin froh, dass ich da nicht dabei bin“, ging er indirekt, aber unverbrämt seinen Parteifreund, den Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble an.

Schünemann wie auch seine Mit-Hardliner in Bayern sind überzeugt, dass Schäubles derzeitige Linie beim Bleiberecht einen „Sog in die Sozialsysteme“ erzeuge. SPD und CDU wollen auf Bundesebene den im Dezember ausgehandelten Kompromiss der Landes-Innenminister mit einem Gesetz aushebeln. Danach erhalten die rund 180.000 Geduldeten in Deutschland bis Ende 2009 Zeit, sich eine Arbeit zu suchen. So lange bekommen sie einen Aufenthaltstitel. Derzeit steht geduldeten Ausländern ein ermäßigter Sozialhilfesatz zu, bei einem regulären Aufenthaltsrecht hätten sie Anspruch auf volle staatliche Unterstützung. Bei der Ausschöpfung aller juristischen Mittel könnten Geduldete nach 2009 auch ohne Arbeit weitere vier Jahre in Deutschland bleiben – meint zumindest Schünemann.

Eine fünfköpfige Familie käme auf 1.886 Euro netto im Monat, da hätten die Menschen „keine Motivation, eine Arbeit anzunehmen“, glaubt er. Wenn klar sei, „dass man hier bis 2013 von Sozialhilfe leben kann, ist das ein Signal an Schlepperbanden“. Mit der verlängerten Frist bei der Arbeitssuche hat der Minister offenbar wenig Probleme, wohl aber mit dem „Paradigmenwechsel“ in Berlin, nach dem nun der Aufenthaltstitel vor dem Arbeitsvertrag kommen soll.

Die bislang geltende Regelung hält er für ausreichend – und vor allem für billig. Bis zu 6.000 Geduldete bekommen laut Schünemann allein in Niedersachsen eine Aufenthaltstitel. Voraussetzung: Alleinstehende müssen mindestens acht, Familien sechs Jahre in Deutschland leben und eine Arbeit nachweisen.

Die Regelung sei viel zu restriktiv, entgegnete gestern die Grüne Georgia Langhans: 95 Prozent der Flüchtlinge scheiterten an den hohen Hürden. Schünemann spiele beim derzeitigen „Geschachere“ zwischen Bund und Ländern eine „miese Rolle“.

Dazu, aus der „niedersächsisch-bayrischen Ecke der Verweigerungskoalition“ zu kommen, forderte Klaus-Peter Bachmann von der SPD den Minister auf. Und forderte: „Unterstützen Sie den Einigungsprozess in Berlin!“ Auf den Knackpunkt wies am Rande der Landtagssitzung Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hin: Zwar sei Niedersachsen „nicht zum Kompromiss verpflichtet“. Aber: Das Gesetz sei nicht zustimmungspflichtig im Bundesrat.