Hafen-Poker vor Gericht

Der niedersächsische Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) will unbedingt noch vor der Landtagswahl den Bau für den Jadeweserport in Wilhelmshaven starten. Baufirmen und Umweltverbände könnten das vor Gericht allerdings vereiteln

Seit den 90er Jahren wird über einen Tiefwasserhafen an der deutschen Nordseeküste nachgedacht, um der Konkurrenz in Antwerpen und Rotterdam Paroli zu bieten. Im Jade-Weser-Port sollen Containerpötte mit 400 Metern Länge und 15 Metern Tiefgang gelöscht werden. Der Jadebusen vor Wilhelmshaven ist bis zu 20 Meter tief. Am 1,7 Kilometer langen Pier sollen vier Schiffe anlegen können. Niedersachsen und Bremen stecken zusammen rund 600 Millionen Euro in die Infrastruktur, der Terminalbetreiber Eurogate 350 Millionen. Das Projekt soll 1.000 Arbeitsplätze in der Region schaffen.  TAZ

VON KAI SCHÖNEBERG

Sie hantieren mit Maurerkellen, drücken auf Startknöpfe, pflanzen Bäume. In Wahlkampfzeiten weihen Polit-Granden besonders gerne neue Großbaustellen ein. Auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) würde am liebsten noch vor der Wahl am 27. Januar im Bagger sitzen oder an der Ramme stehen, wenn das größte Industrieprojekts des Nordens endlich startet: Der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven. „Das Bild will ich haben“, sagt Hirche, für den der Tiefwasserhafen viel Prestige bedeutet.

Doch derzeit stehen Fragezeichen vor dem Baubeginn des eine Milliarde Euro teuren Superhafens, in dem 2010 die größten Containerschiffe der Welt einlaufen sollen. Dann wäre nicht nur Hirche, sondern die gesamte Landesregierung blamiert. Peinlich ist das Tauziehen um den Hafen längst: Eigentlich sollte bereits seit über einem Jahr gebaggert werden.

Wie unsicher der zur Zeit für Oktober anvisierte Baubeginn ist, zeigte sich gestern im Celler Oberlandesgericht (OLG). Hier streiten sich der Essener Bauriese Hochtief und ein Konsortium unter Führung der Papenburger Baufirma Bunte um den Zuschlag für das erste Baulos am Tiefwasserhafen. Wert: Satte 480 Millionen Euro. Beide Seiten wollen, dass ihr Kontrahent vom Bieterverfahren nachträglich ausgeschlossen wird. Anfang September soll das Urteil fallen. Worst Case für Hirche: Ein Beschluss, nach dem neu ausgeschrieben werden muss. Hirche selbst rechnet dann mit einer Zeitverzögerung von mindestens drei Monaten. Insider sagen, dass ein neues Verfahren weit in das Jahr 2008 reichen würde. Minister-Fotos vom Baubeginn? Pustekuchen.

Nicht Bunte, sondern die erfahrenen Hafenbauer von Hochtief hatten im April den Zuschlag bekommen. Und dagegen Einspruch eingelegt. Auch ein Spruch der Lüneburger Vergabekammer im Juni hatte keine Klarheit im Hafen-Poker gebracht. Immerhin: Nach der mündlichen OLG-Verhandlung am Freitag sieht es nicht schlecht für die bislang unterlegenen Mittelständler um Bunte aus. „Unterm Strich rechtfertigt die rein formelle Seite einen Ausschluss nicht“, zerschlug Richter Thomas Knoke ein Hauptargument von Hochtief: Danach hätten die Emsländer ausgeschlossen werden müssen, nachdem eine der fünf Firmen des Konsortiums pleite gegangen war. Wichtig fand Richter Knoke hingegen die Frage, ob es nachträgliche Änderungen am Konzept von Hochtief gegeben habe.

Knackpunkt: War der Bau eines wichtigen Damms im ursprünglichen Angebot einkalkuliert? Der „Polderschluss“ betrifft die Fläche zwischen Kaimauer und derzeitigem Ufer, ein mehrere hundert Meter breites Hafenareal, das mit Sand aufgefüllt werden soll. Laut Bunte-Anwalt Ralf Leinemann geht es um Millionen Kubikmeter, die Hochtief schlicht vergessen habe.

Entscheidend dürfte am Ende auch sein, ob die um rund 50 Millionen Euro günstigere Bunte-Bauweise in das Angebot einfließen darf. Zunächst war dieses Verfahren zur Befestigung der Spundwände nicht bei der Vergabe des Bauauftrags berücksichtigt worden, da es noch nie erprobt wurde.

Selbst wenn das OLG Hochtief bevorzugt, rücken die Bagger noch nicht am Jadebusen an. Beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg sind noch acht Klagen gegen die Planfeststellung anhängig. Zur Zeit gibt es noch nicht mal Gerichtstermine. Verbände und Initiativen streiten unter anderem gegen den sofortigen Baubeginn, es gibt Einsprüche, weil für die Sandentnahme aus dem Watt keine Alternativen geprüft worden sind. „Bislang sind Großprojekte, zum Beispiel das Emssperrwerk, vor Gericht immer bestätigt worden“, sagt Hirche und hofft, dass im Oktober entschieden wird. Kläger wie der Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz sind pessimistischer: Nicht vor Ende 2008 werde es zu einem abschließenden Urteil kommen.

Auch das könnte das Megaprojekt verteuern: SPD und Grüne fürchten, dass durch die Verzögerung zeitgebundene EU-Subventionen in Höhe von 50 Millionen Euro verfallen – was der Wirtschaftsminister bestreitet. Ob Hirche das Hickhack noch ausbaden muss, ist indes fraglich: Er ist bereits 66 Jahre alt. Längst gibt es Gerüchte, dass er nach der Wahl abgelöst wird.