Die Leichtmacher

Aus hauchdünnen Kohlefasern wird im Stader CFK-Valley der Werkstoff der Zukunft erstellt. Airbus baut immer mehr davon in seine Flugzeuge, vielleicht macht CFK bald auch Windmühlen leichter

VON KAI SCHÖNEBERG

Kein Tal weit und breit. Dennoch klingt der Name „CFK Valley“ nicht nur hübsch, weil er an den Sitz kalifornischer Softwareschmieden erinnert. Im Gewerbegebiet Stade-Süd ist tatsächlich eines von weltweit drei Zentren für die Erforschung und Erprobung eines vielleicht bahnbrechenden neuen Werkstoffs entstanden.

Das AKW ist weg, dafür haben sich im Hamburger Westen rund um das Airbus-Werk mittlerweile mehr als 60 Firmen und Forschungsinstitutionen angesiedelt, die in Kohlenstofffaser-Technologie (CFK) investieren. „Es ist bis zu 30 Prozent leichter als Aluminium und eröffnet neue Konstruktionsmöglichkeiten“, sagt Axel Herrmann, Vorstandschef des CFK-Valley. CFK rostet nicht und ist widerstandsfähiger als Metalle, aber auch teurer, schwieriger zu verarbeiten und zu reparieren. Noch.

„Das sieht alles ein bisschen wie Allchemie aus“, sagt Achim von Arciszewski, der Mann, der bei Airbus Stade für den Riesenjumbo A 380 zuständig ist. In den Produktionshallen schnippeln Mitarbeiter hier mit Geodreieck, Zollstock und einer Art Teppichschneider erste Teile für den neuen A 350 aus. Dort legt ein Roboterarm schwarze dünne Matten übereinander – für den A 380: Die CFK-„Tapes“ sehen aus wie schwarzes Tesaband, sie bestehen aus hauchdünnen Kohlefasern, 150 davon sind gerade einen Millimeter dick. Je nach Bedarf werden sie wie Decken gestapelt und bei 180 Grad mit einem klebenden Harz gebrannt. Am Ende der Produktionskette stehen die gigantischen Seitenleitwerke für den A 380. Das erste 16,50 Meter hohe Stader Flugzeugheck fliegt ab Oktober für Singapore Airlines, weitere werden gerade gebaut – wie alle Seitenleitwerke des Konzerns.

Im mit Landesmillionen geförderten Technologiezentrum ganz in der Nähe basteln Forscher am CFK-Rumpf des A 350, mit dem Airbus wieder an Boeing vorbeifliegen will. Während der A 380 nur zu gut 20 Prozent aus CFK gefertigt ist, glänzen die US-Amerikaner schon mit 50-Prozent Anteil bei ihrem 787 Dreamliner, der bald zum Jungfernflug abheben soll.

Erst der A 350 soll einen ähnlich hohen CFK-Anteil haben. Wie wacklig die Zukunft auch für die 2.100 Stader Airbus-Leute sein könnte, zeigt ein unfertiges Hallen-Gerippe im Gewerbepark: Als der A 350 schlingerte, stoppte Airbus den Bau der Halle vorerst.

Wichtiger für Valley-Chef Axel Herrmann: „Jedes Kilogramm weniger Gewicht spart im Leben eines Flugzeugs drei Tonnen Kerosin.“ Das ist gut fürs Klima, aber auch gut für das Stader Technologie-Cluster: Es gibt bereits erste Rotorblätter für Windräder, Autobauer wie BMW bauen schon Dächer und Stoßdämpfer aus den Kohlefasern. Immerhin hat sich VW nach langem Zögern dazu entschieden, ein Büro in Stade zu eröffnen.

Inzwischen sind bereits 350 Arbeitsplätze im „CFK-Valley“ entstanden, weiter 150 sollen bald dazu kommen. Im „Composite Campus“ werden derzeit die weltweit ersten CFK-Ingenieure ausgebildet.

Dass Stade Perspektive hat, zeigt sich auch beim laufenden Schrumpfprozess im Airbus-Konzern. Während die Werke in Varel, Nordenham und im süddeutschen Laupheim verkauft werden sollen, bleibt Stade dabei. Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) sagt, das Werk sei für Airbus ein „Trumpf für die Zukunft“. Er fürchtet, dass der US-Zulieferer Spirit Aerospace alle Standorte aufkauft. Der Minister hätte es lieber, wenn ein Zusammenschluss deutscher Firmen, darunter OHB in Bremen, den Zuschlag erhält: „Es ist die Frage, ob sich Airbus vom gleichen Zulieferer wie Boeing abhängig machen will.“