Das Phantom wird sichtbar

Er spielte Katz und Maus, nun aber fand ihn die Hamburger SPD doch: Ronald Schill ist wieder im Land, sein Reisepass muss erneuert werden. Eine 1A Gelegenheit für den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, ihn endlich vorzuladen

Ronald „Gnadenlos“ Schill ist zurück. Fast hätten wir ihn vergessen. Aber jetzt wollen wir kräftig mithelfen den ehemaligen Hamburger Innensenator vor den Untersuchungsausschuss zu zerren: „Spot the Populist“ heißt das neue Gewinnspiel, das die taz nord heute ins Leben ruft. Wer uns die schönste Schill-Sichtung aus dem wirklichen Leben beschreibt, kann das Buch „Die Verrückten werden siegen“ von Klaus Utermöhle gewinnen. Sichtungen bitte an redaktion@taz-nord.de – Fotos bitte weiterhin per MMS an die Bild-Zeitung unter der Nummer 1414. Alle, denen der Ex-Senator nicht über den Weg läuft, haben die Chance auf einen Trostpreis: Wie viele Schills haben wir in der heutigen taz nord versteckt? Wer uns die korrekte Zahl zumailt, gewinnt das Buch „101 Haudegen der deutschen Wirtschaft“. Bei mehreren richtigen Einsendungen entscheidet das Los. Ronald Schill darf auch mitmachen – die Ratgeberbücher könnten ihm eine Stütze bei der Neuorientierung sein. PHI

VON JESSICA RICCÒ

Halb fünf an einem lahmen Donnerstag im Itzehoer Rathaus, die Tür fliegt auf. „Schönen guten Tag. Mein Name ist Ronald Schill und ich bräuchte einen neuen Reisepass, aber pronto.“

Wenn das auch aus der Luft gegriffen ist: So ähnlich wird es sich zugetragen haben, vorgestern in Itzehoe. Für einen Reisepass war Herr Schill in Itzehoe zwar falsch, die Bürgermeisterei im 19 Kilometer entfernten Horst konnte ihm mit seinem Expressantrag jedoch weiterhelfen. Und tatsächlich, spätestens Montag ist der neue Pass mit biometrischem Schillbild da und der Innensenator a. D. könnte zurück an die Copacabana.

Wenn da nicht die kleinkarierte, ehrgeizige SPD wäre. Die wartet nämlich seit geschlagenen zwei Jahren auf die Zeugenaussage Ronald Schills. Sogar zur Fahndung wurde er im letzten Herbst ausgeschrieben. Was schon ein bisschen ironisch ist, angesichts der Tatsache, dass damit die Hamburger Polizei ihren ehemaligen Vorgesetzten sucht.

Vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) sollte geklärt werden, wie die Verhältnisse zur Amtszeit Schills in der Geschlossenen Unterbringung Feuerbergstraße aussahen.

Dort sollen Minderjährigen rechtswidrig Psychopharmaka verabreicht worden sein (taz berichtete). Seine eigene Rolle dürfte ausnahmsweise keine tragende gewesen sein. „Herr Schill kann zur Sachaufklärung nichts beitragen, weil er als Senatsmitglied nie für die Feuerbergstraße zuständig war“, sagt Kai Voet van Vormizeele von der Bürgerschaftsfraktion der CDU. Zuständig nicht – aber ein Ronald Schill lässt sich nicht den Mund verbieten. Vor dem Senat soll er sich über die „laschen Zustände“ in der Geschlossenen Unterbringung beschwert und ein „härteres Vorgehen“ gefordert haben. Von einer Forderung allein dürfte der Braten aber auch nicht fett geworden sein. Also im Grunde nichts zu befürchten?

Ronald Schill ziert sich. Nach Angaben seines Anwalts Corvin Fischer war er „auf Weltreise“, in seiner Wahlheimat Rio de Janeiro galt er zunächst als unauffindbar. Da ein fehlender Zeuge noch keinen Schwerverbrecher macht, lehnten die brasilianischen Behörden eine Kooperation ab.

Vor einem Jahr brachte die „Ermittlung zum Zweck der Aufenthaltsfeststellung“ eine heiße Spur: Eine Düsseldorfer Adresse sollte die deutsche Anlaufstelle zu Ronald Schill sein. Da er aber auch dort nicht gemeldet war, reichte es nicht zur ladungsfähigen Adresse.

Und nun, kaum zurück in Deutschland, ist Ronald Schill, das Phantom, wieder nicht zu fassen (siehe Kasten). Bereits am Dienstag verpasste die Polizei ihn knapp. Da er für den Reisepass aber eine Meldeadresse benötigt, hat die SPD nun doch noch Chancen auf ihre Zeugenaussage – und den inoffiziellen Siegertitel. Die Beweisaufnahme des PUA ist mittlerweile bereits abgeschlossen, nach Angaben des SPD-Abgeordneten Thomas Böwer plant die Fraktion nun eine Sondersitzung. „Wir haben doch nicht mehr als ein Jahr weltweit nach Schill gefahndet, um ihn uns durch die Lappen gehen zu lassen, wenn er in Itzehoe ist“, sagt Böwer.

Theoretisch könne man Zeugen auch durch Beugehaft oder eine zwangsweise Vorführung zur Aussage bringen – da der Jurist Schill aber nirgends gemeldet sei, wisse er ja formal nichts von seiner Vorladung. Ohne Wohnsitz keine Vorladung, ohne Vorladung keine Anwesenheitspflicht und damit kein Disziplinarvergehen.

Um sich nun nicht abermals lumpen zu lassen, heckte die SPD bereits die Pläne B und C aus: Zunächst gilt es den ehemaligen Zweiten Bürgermeister schlicht vor dem Ordnungsamt abzufangen, wenn er seinen Pass abholt. Sollte er dann unverrichteter Dinge zurück nach Brasilien fliegen, droht eine Streichung seiner Pension. Rechtlich sei das nach Angaben von Thomas Böwer möglich, denn wenn der Wohnsitz dem Senat und seine Vorladung ihm selbst bekannt seien, würde sein Disziplinarvergehen diese Maßnahme rechtfertigen. Ein Druckmittel, das den Frührentner Schill beunruhigen dürfte. Beunruhigend klingen auch seine Äußerungen vom Donnerstag: Während er in einem Interview im September noch behauptete, er habe mit Politik nun endgültig abgeschlossen, betonte er nun gegenüber der Bild-Zeitung, er sei immer noch Landesvorsitzender der Schill-Partei und ein Comeback nicht ausgeschlossen. Denn man to.