Truckers Traum in der Heide

Ein US-Konzern will in Europa neuartige Autohöfe bauen – den ersten in Egestorf südlich von Hamburg. Während sich das Spediteursgewerbe besseren Service verspricht und die Gemeinde höhere Steuereinnahmen, sorgt sich der örtliche Mittelstand

Das Tankstellen- und Raststättenunternehmen Flying J gehört zu den 20 größten Privatunternehmen der USA. Sein Umsatz einschließlich der Steuern betrug 2005 nach eigenen Angaben 10,9 Milliarden Dollar. Die Firma beschäftigt in den USA 15.000 Mitarbeiter und betreibt ein Netz von 220 Autohöfen an den Überlandstraßen der USA und Kanadas. Der Konzern kümmert sich um die komplette Produktionskette von der Förderung des Rohöls bis zum Dieselverkauf an die Lastwagenfahrer. Dazu kommt das Geschäft rundherum: Läden, Hotels, Restaurants, Wartungszentren für Fahrzeuge. Die geplante Anlage im niedersächsischen Egestorf soll der Prototyp einer Reihe von Autohöfen in mehreren europäischen Ländern sein. Das Projekt soll am 18. Dezember in Egestorf öffentlich vorgestellt werden. Dort gilt es die Mitglieder einer örtlichen Bürgerinitiative zu überzeugen, die sich bisher gegen das Vorhaben wehrt. Sie befürchtet nicht zuletzt stark zunehmenden Laster-Verkehr.  KNÖ

VON GERNOT KNÖDLER

Der amerikanische Tankstellen-Konzern „Flying J“ macht den mittelständisch geprägten Betreibern europäischer Autohöfe Angst. In Egestorf in der Lüneburger Heide will er an der Autobahn 7 den ersten Mega-Autohof im Stil der Neuen Welt bauen – als Referenzprojekt für 15 weitere Anlagen, die in den kommenden drei bis fünf Jahren auch in anderen Ländern Europas errichtet werden sollen. Die eingesessenen Autohof-Betreiber befürchten, dass sie von dem kapitalkräftigen Konzern aus dem ohnehin schwierigen Geschäft gedrängt werden.

Autohöfe gehören im Gegensatz zu Tank- und Rastanlagen nicht zu den Autobahnen und werden auch nicht vom Bundesverkehrsministerium bezahlt. Meist etwas abseits der Autobahn gelegen und über eine normale Ausfahrt zu erreichen, verschaffen sie den Fahrern etwas mehr Erholung. Im Gegensatz zu den Tank- und Rastanlagen sind sie hauptsächlich auf die Bedürfnisse von Truckern ausgerichtet.

Im Landkreis Harburg sind gleich mehrere solcher Anlagen im Gespräch. Neben Egestorf versucht auch die Gemeinde Heidenau an der A 1 Hamburg–Bremen einen Flying-J-Autohof zu bekommen. Und auf dem Gebiet der Gemeinde Seevetal bei Meckelfeld soll eine neue Tank- und Rastanlage als Ersatz für die kleine Autobahntankstelle Hamburg-Stillhorn gebaut werden. Mit zweimal zwölf Hektar sowie 250 bis 300 LKW- und 350 bis 400 PKW-Parkplätzen würde sie die bisherigen Maßstäbe ebenfalls sprengen. Das Projekt befindet sich nach Angaben der Gemeinde im Stadium der Vorplanung. Die Gemeinde wird dazu allerdings auch nur gehört – es plant der Bund.

Mit dem wachsenden Straßengüterverkehr hat auch der Bedarf an Parkplätzen zugenommen, auf denen die Fahrer ihre gesetzlich vorgeschriebene Ruhe bekommen sollen. Doch der Verkehr wuchs schneller, als Stellplätze hinzugebaut wurden. „Entlang der deutschen Autobahnen fehlen 20.000 Parkplätze“, schätzt Karl-Heinz Schneider von der Vereinigung deutscher Autohöfe (Veda), der Vertretung der Eingesessenen. Die Veda-Mitglieder stellen nach eigenen Angaben 10.000 LKW- und PKW-Stellplätze entlang der deutschen Autobahnen.

Angesichts dieser Nachfrage wirkt es auf den ersten Blick paradox, dass die Autohöfe über mangelnde Einkünfte klagen. Die Auflösung liegt darin, dass die Parkplätze kostenlos angeboten werden – mit dem Kalkül über das Tanken, die Verköstigung und weitere Dienstleistungen Geld zu verdienen. Das aber sei in den vergangenen Jahren in Deutschland immer schwieriger geworden, sagt Hans-Heinrich Höper, der Betreiber eines Autohofs bei Soltau. „Der Tanktourismus in Deutschland nimmt zu.“

Weil der LKW-Diesel in Ländern wie Österreich und Dänemark viel billiger sei, füllten die Laster dort ihre Tanks und rauschten ohne Nachzufüllen durch Deutschland hindurch. Allenfalls essen die Fahrer mal ein Schnitzel oder eine Bockwurst. Davon aber, sagt Höper, könnten die Autohöfe nicht leben.

Der Autohof-Betreiber ist skeptisch, ob sich das Konzept von Flying J aus den USA und Kanada auf Europa übertragen lässt. In Kanada etwa gebe es auf hunderten von Kilometern nur einzelne Rasthöfe, die dann auch eine entsprechende Größe vertrügen. Das Umsatzvolumen, das Flying J in Egestorf anstrebe, sei so groß wie das der vier Rast- und drei Autohöfe in 70 Kilometern Umkreis. „Es findet ein Verdrängungswettbewerb statt“, prophezeit Höper.

Darf man den Veröffentlichungen glauben, plant Flying J Autohöfe, die nicht nur king size sind sondern auch de luxe: 300 Parkplätze für Laster, mehr als 100 für andere Autos, Geschäfte, ein Hotel, ein Kasino, Versicherungsbüros, W-Lan und natürlich Zapfsäulen. „Es ist auf jeden Fall zu begrüßen, dass sich da jemand engagieren will“, sagt Frank Wylezol vom Verband Straßengüterverkehr und Logistik. Schon heute zeichne sich ein Mangel an Fernfahrern ab. Wenn der Beruf attraktiv sein solle, müssten die Fahrer auch ihre Ruhezeiten in angenehmer Umgebung verbringen können. Dass dafür auch Geld bezahlt werden müsse, sei unumgänglich.

Das gelte vielleicht für deutschen Fahrer, kontert Höper. Doch der Mangel an deutschen Fahrer werde durch Osteuropäer kompensiert, die sich einen teuren Service nicht leisten könnten. Das zeige sich an existierenden Mega-Autohöfen wie in Bremen-Hemelingen.

Nichtsdestotrotz hofft Egestorfs Bürgermeister Walter Krause (CDU) auf Gewerbesteuereinnahmen. 100 Menschen würden, konservativ geschätzt, auf dem Autohof Arbeit finden, sagt er. Die Grundstücke seien bereits verkauft, der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan gefasst. Vom Tourismus profitiere seine Gemeinde nur während der kurzen Zeit der Heideblüte. „Da gehört ein bisschen Gewerbe dazu, wenn wir nicht bald die Lichter ausschalten wollen.“