Aufgepasst, Genossen!

Bei der Linken in Schleswig-Holstein kommt Unruhe auf: Kreisvorstände treten zurück, Kandidaten müssen sich Kampfabstimmungen stellen. Die Parteiführung jedenfalls hat den Altkommunisten den Kampf angesagt

VON ESTHER GEISSLINGER

Ursprünglich hatte der Vorstand der Linken im Kreis Rendsburg-Eckernförde die Wahllisten für die Kommunalwahl im Mai vorstellen wollen. Doch nach zweistündiger Debatte hinter verschlossenen Türen kam es zum Eklat: Der Vorstand trat geschlossen zurück. Chaos auch in Kiel: Bernd Michels, 1996 verurteilt wegen „geheimdienstlicher Agententätigkeit“ im Auftrag der Stasi, kämpfte um einen Listenplatz und erhielt laut Bericht der Kieler Nachrichten von den Linken-Mitgliedern „reichlich Applaus“. Erst eine knapp verlorene Kampfabstimmung sorgte dafür, dass der ehemalige Landessprecher der SPD, der seine Partei jahrelang bespitzelte, nicht auf der Wahlliste auftaucht. In einem weiteren Kreis stand – trotz Bedenken einiger Parteimitglieder – eine Reihe von DKP-Anhängern auf der Liste. Erst nach den Sätzen der DKP-treuen Christel Wegener in Niedersachsen zu Stasi und Mauer fanden die Mahner Gehör.

„Das sind keine bedauerlichen Einzelfälle, sondern es gibt feste Konstellationen und Netze, um bestimmte Personen auf gute Posten zu bringen“, sagt ein Insider. Hinter den Kulissen der Linken herrsche „Hauen und Stechen“, bei einigen Debatten „kocht es richtig“, so der Insider. So sollen Parteimitglieder andere bei Behörden, etwa dem Finanzamt, angeschwärzt haben, auch Klagen seien in Vorbereitung gewesen. Bei einer Versammlung wurde ein Flugblatt verteilt, in dem GenossInnen andere beschuldigen, „Parteigelder zu verschwenden“, etwa für eine Stellenausschreibung oder für eine Fahrt zur Urteilsverkündung im Prozess um die Fünf-Prozent-Klausel. „Es laufen unzählige kleine Intrigen“, berichtet der Insider.

Landessprecherin Antje Jansen räumt auf taz-Anfrage „Anfangsschwierigkeiten“ ein: „Der Erfolg kommt fast ein wenig schnell. Viele neue Mitglieder treten ein, die meisten sind sehr engagiert, aber politisch unerfahren.“ Knapp 1.000 Mitglieder zählt die Linke in Schleswig- Holstein, ein „verschwindend kleiner Teil“ davon sei „problematisch“, so Jansen. Doch dieser „problematische Teil“ stellt laut Aussagen des Insiders überproportional viele Leute in parteiinternen Funktionen – in der Hoffnung auf künftige Mandate. Jansen dazu: „Das Verhältnis ändert sich. Wir sind überzeugt, alle Personalfragen vernünftig regeln zu können.“ Dank der Wahlerfolge der Linken in anderen Ländern könne die Partei auch in Schleswig-Holstein zunehmend organisationsstarke und gremienerfahrene Mitglieder gewinnen, etwa Gewerkschafter oder ehemalige Mitglieder der Grünen oder der SPD.

Eine Personalie jedoch wird die Linke in Schleswig-Holstein weiter belasten: der Bundestagsabgeordnete Lutz Heilmann. Er war als Personenschützer bei der Stasi angestellt gewesen, hatte das nicht offen gelegt und lange gezögert, sich dafür zu entschuldigen. Jenseits der Stasi-Frage schütteln GenossInnen die Köpfe über das oft ungeschickte Auftreten des Mandatsträgers. „Lutz Heilmanns Chancen, in Schleswig-Holstein wieder aufgestellt zu werden, schwinden zusehends“, heißt es aus Parteikreisen. Jansen erklärt dazu nur, das Verhältnis zwischen Landesvorstand und Abgeordneten sei „nicht einfach“. Heilmann bringe sich nicht so in die Arbeit ein, wie der Vorstand gehofft habe. Allerdings: Auch im zehnköpfigen Vorstand gibt es Personen, die Heilmann unterstützen.

Beschäftigen muss sich die Partei mit der DKP. „Bisher galt eine falsch verstandene Solidarität“, sagt ein Partei-Mitglied. „Die Positionen der Linken und der DKP sind in vielen Punkten unvereinbar, doch viele sagten: Das sind doch alte Linke, lasst sie mitmachen. Dabei war viel mehr Fahrlässigkeit als inhaltliche Absicht im Spiel.“

Spätestens seit dem Lob der niedersächsischen Ex-Abgeordneten Christel Wegener auf die Stasi ist die Partei jedoch aufgeschreckt, auch in Schleswig-Holstein geht es nun um klare Abgrenzung. Ulrich Mauer, im geschäftsführenden Bundesvorstand für den „Westaufbau“ zuständig, bekräftigt: „Wer die Stasi und die Mauer gut findet, hat in unseren Parlamentsfraktionen nichts verloren.“ Weitere Pannen sollen nicht passieren: „Wir sind dabei, die Partei auf einen richtigen Kurs zu bringen“, sagt Jansen. „Wir wollen inhaltliche Debatten führen, keine personellen.“

Die Bundespartei gebe dabei Unterstützung, sagt Ulrich Maurer: „Schleswig- Holstein hatte mit einigen Strukturproblemen zu kämpfen. Die PDS war hier nie stark vertreten, der SPD-Landesvorstand eher links von der Mitte aufgestellt. Das hat anfangs die Lage erschwert.“ Doch auch er stellt fest, dass das Bild sich ändert: „Je breiter die Basis wird, desto mehr gute Leute haben wir.“ Dennoch müsse – rechtzeitig vor der Kommunalwahl – das Gespräch mit den Mitgliedern gesucht werden. Es müsse eine neue Form der innerparteilichen Auseinandersetzung geben, meint die Linken-Landessprecherin Jansen: „Wir brauchen glaubwürdige KandidatInnen, die unsere Inhalte vernünftig transportieren.“

Der Insider wird deutlicher. Ziel sei es, möglichst schnell ein reinigendes Gewitter losbrechen zu lassen: „Es darf gern krachen.“