Zu arm für Gratis-Mahlzeit

In Schleswig-Holsteins Kitas sollen arme Kinder umsonst essen, wünscht sich das Sozialministerium. Jetzt zeigt sich: Viele Kinder müssen nach Hause gehen, bevor das Essen ausgegeben wird

Von FLORIAN ZINNECKER

Dass sich erst jetzt jemand für die Initiative „Kein Kind ohne Mahlzeit“ interessiere, nur weil sich jemand beschwert habe – das sei bedauerlich. Dies findet Christian Kohl, Sprecher des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren in Schleswig-Holstein. Immerhin, sagt er, würde damit denen geholfen, die am stärksten unter finanzieller Not zu leiden hätten: den Kindern. „Da darf man nicht gleich wieder das Glas als halb leer betrachten.“

Beschwert hatte sich die FDP-Landtagsfraktion: Gerade jene Kinder, die die Hilfe am nötigsten hätten, gingen hier leer aus, konstatieren die Liberalen – „entscheidend ist das Kleingedruckte“. Und Hilfe für Bedürftige, die den Bedürftigen nicht helfe, sei „Blödsinn“.

Die Initiative „Kein Kind ohne Mahlzeit“ will all jene Eltern unterstützen, die sich das Geld fürs Kita-Mittagessen ihrer Kinder vom Mund absparen müssen. Sie ist Teil der „Offensive gegen Kinderarmut“ von Ministerin Gitta Trauernicht (SPD). „Eine warme Mahlzeit ist nicht nur für die Gesundheit der Kinder wichtig, sie bedeutet auch soziale Teilhabe“, sagte Trauernicht zum Start der Initiative. Das bedeutet: Wer nachweist, die Gebühren für das Kita-Mittagessen nicht aufbringen zu können, der braucht nichts zu bezahlen – die Mahlzeit ist dann kostenlos. Für die Eltern springt dann der Kinderhilfsfonds der regionalen Wohlfahrtsverbände sein – die Stiftung „Familie in Not“ hat dafür zwei Millionen Euro springen lassen.

Nur: „Damit die Kinder in der Kita Mittagessen kriegen können, müssen sie natürlich zur Mittagessenszeit in der Kita sein“, sagt Ministeriumssprecher Kohl. „Das sei fast immer der Fall – „bei meinem Sohn wird zum Beispiel schon um 11 Uhr gegessen.“ Das, so erfährt Kohl wenig später, ist aber eine Ausnahme: „Normalerweise“, korrigiert sich Kohl daraufhin, „gibt‘s das Mittagessen erst, nachdem die Kinder abgeholt sind, die nur vormittags betreut werden.“ Darunter ist oft auch der Nachwuchs bedürftiger Eltern. Denn zwar gelten für Empfänger des Arbeitslosengeldes II – gemäß der sozialen Staffelung – niedrigere Gebührensätze, dies aber nur für eine definierte Anzahl von Betreuungsstunden. Mancherorts ist nach vier Stunden Schluss – die Küche bleibt da noch kalt. Und bis zum Essen zu bleiben, ist zu teuer.

Kohl greift erneut zum Telefon: Manche Tagesstätten böten durchaus auch innerhalb besagter vier Stunden eine warme Mahlzeit an – dies habe sein Anruf bei zwei Kitas ergeben. „Nicht nur bei meinem Sohn gibt es vor 12 Uhr Mittagessen.“

„Die Initiative bezieht sich ausschließlich auf Kinder, die länger als vier Stunden betreut werden“, stellt hingegen Kohls Ministerium klar – in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag. Und sagt damit genauso: Wer vorher geht, muss hungrig bleiben. Kohl will das nicht so stehen lassen: Auch ein früheres Mittagessen werde bezuschusst – sofern angeboten. Tatsache jedenfalls sei: „Wir können das Essen nicht zu den Kindern nach Hause tragen.“

Die FDP lässt sich damit nicht abspeisen: „Man müsste sich einfach mal hinsetzen und überlegen, was mit den zwei Millionen Euro, die hier aufgewendet werden, am besten anzufangen ist“, sagt Fraktionssprecher Christian Albrecht. „Das Gießkannen-Prinzip ist hier jedenfalls falsch.“

Man werde sich hinsetzen, sagt Kohl. „Die Sache ist ja nicht abgeschlossen. Wir haben nur irgendwo anfangen müssen.“