Aus Kapitalisten werden Blutsauger

Unternehmer fühlt sich durch den Titel „Kapitalist“ in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt und möchte dem Internet-Portal Labournet einen Maulkorb verpassen. Pressekammer hält Begriff durch die freie Meinungsäußerung gedeckt

Andreas Buske redet nicht lange um den heißen Brei: „Die Klage ist nicht aussichtsreich“, sagt der Vorsitzende der Pressekammer des Landgerichts Hamburg. „Umsomehr, wenn die gesamten Texte mit einem Verbot belegt werden sollen.“ Dann belehrt er die Klägerseite, die dem linken Internetportal Labournet einen Maulkorb verpassen und die Bezeichnungen „Kapitalist“ und „Erpressung“ verbieten lassen möchte, dass doch die Meinungsfreiheit ein „hohes Gut“ sei. Dass das Urteil erst am 2. Mai gesprochen wird, liegt daran, dass die Klage kurzfristig abgeändert wurde.

In dem Rechtsstreit geht es um Praktiken des Hamburger Metallunternehmens Ixion GmbH & Co KG. Der angeschlagene Hersteller von Werkzeugmaschinen hatte im Sommer voriges Jahres Mitarbeiter entlassen und auf Lohnverzicht bestanden. Über diesen Konflikt hatte das gewerkschafts- und sozialpolitische Forum Labournet genau berichtet und sich auf betriebliche Informanten berufen. Es kam zur Einschätzung: „So reibungslos wie die Kapitalisten es sich vorstellen klappt das nicht immer mit Angriffen auf Lohnbestandteile…“ und bezeichnete die Lohnverzichtsforderung zur Jobsicherung als „Erpressung“.

Die Ixion-Bosse verklagten daraufhin die verantwortliche Labournet-Redakteurin Mag Wompel auf Unterlassung und Preisgabe der Informantendaten. „Das Redaktionsgeheimnis ist ein sehr hohes Gut“, weist Richter Buske Ixion in die Schranken. „Informanten müssen nicht offen gelegt werden.“ Und auch für Unterlassungsanspruch sieht der Vorsitzende Buske keinen Grund: „Die Artikel enthalten doch wahre Aussagen – da gibt es kein Geheimhaltungsinteresse.“

Daher erscheinen der Pressekammer die Begriffe als „freie Meinungsäußerung“ für zulässig, sie stellten keine Verletzung der Persönlichkeitsrechte dar, zumal der Begriff „Erpressung“ nicht im „strafrechtlichen Sinne“ benutzt werde. Buske kommt zum Fazit: „Wir werden einem Verbot nicht näher treten.“

Diese Rechtsauffassung hat den Ixion-Anwalt Stoltenberg offensichtlich nicht sonderlich überrascht. Denn nur wenige Stunden vor dem gestrigen Verfahrenstermin hatte er die Klage eigentlich zurückgezogen, jedoch durch eine neue Klage ersetzt. Nun geht es um die Begriffe „Blutsauger“ und „Halsabschneider“. „Wie viel muss sich ein Unternehmer gefallen lassen?“, fragt Stoltenberg in die Runde. Die Firmenleitung habe doch nur darum gebeten, die Bemühungen zu unterstützen, die Firma aus der „wirtschaftlichen Schieflage“ zu ziehen, gibt der Jurist zu Protokoll. „Das Unternehmen will doch nur Gutes tun.“

Das Gericht ist über die Klagemodifizierung kurz vor der Verhandlung sichtlich genervt, sagt inhaltlich aber nichts dazu. „Wir haben den Schriftsatz nur überfliegen können“, so Buske. Seine Mimik lässt jedoch Bände sprechen. KAI VON APPEN