Geschichten vom Abstellgleis

Der Metronom von Hamburg nach Hannover muss sich von Fernzügen überholen lassen. Die Passagiere sind verärgert. Dass die Bahn die Züge der privaten Betreibergesellschaft absichtlich warten lasse, will aber niemand betätigen

Bis Winsen läuft morgens alles glatt. Wer mit dem Metronom von Hamburg nach Uelzen fährt, muss dort aber erstmal warten: Ein ICE will überholen – als einer von vielen Fernzügen an diesem Tag. Weiter geht es erst, wenn der Schnellzug vorbeigedonnert ist.

„Dass Fernzüge Vorrang vor dem Nahverkehr haben, ist absolut normal“, sagt Tatjana Festerling, Sprecherin der Metronom-Betreibergesellschaft – und selbst eine jener PendlerInnen, die täglich im Winsener Bahnhof warten. Manche dieser Überholmanöver seien fest eingeplant, andere würden nötig, sobald der jeweilige Fernzug – oder der Metronom – mit Verspätung unterwegs seien. „In beiden Fällen“, sagt Festerling, „informiert der Zugführer selbstverständlich die Fahrgäste.“ Die aber haben meist schon selbst bemerkt, dass es nicht weiter geht – zumal dann, wenn der Metronom auf freier Strecke halten musste. An manchen Abenden überholen allein zwischen Lüneburg und Hamburg vier Züge.

Dass der Metronom entsprechend später am Zielbahnhof eintrifft, müsse damit nicht unbedingt gesagt sein, sagt Festerling: „Unsere Zugführer können die Wartezeit durch eine entsprechend sportlichere Fahrweise fast immer wieder aufholen.“ Nur: Die Stimmung unter den Fahrgästen lässt sich damit so leicht nicht retten. Auch wenn sich keiner namentlich zitieren lassen will: Dass „das ständige Warten“ ein „Skandal“ und „eigentlich untragbar“ sei, würde hier jeder bestätigen, raunt ein Mittdreißiger im Anzug, während der Zug – diesmal abends – gleich zum zweiten Mal nacheinander überholt wird. Die Umsitzenden nicken, schimpfen, sie würden genauso für die Fahrt bezahlen wie die Passagiere des vorbeidonnernden ICEs – es gehe hier „ums Prinzip“. Die Vermutungen schießen ins Kraut: Die Bahn lasse die Züge der privaten Betreibergesellschaft absichtlich warten, heißt es. Der Großkonzern wolle den kleinen Mitbewerber ausbooten. Und sogar: Manch ein Fahrdienstleiter schicke die Metronom-Zugführer aus persönlichen Gründen aufs Wartegleis.

Festerling druckst herum: Auszuschließen sei all das nicht, pauschal für Einzelfälle könne sie nicht sprechen. „Was ich aber sagen kann: Wir bezahlen natürlich dafür, dass wir die Strecken und die Bahnhöfe nutzen. Und: Wir nutzen die Hauptstrecken, dieselben wie der Fern- und der Güterverkehr.“ Das erfordere Kompromissbereitschaft, erst recht angesichts des hohen Verkehrsaufkommens im Großraum Hamburg und dem Güterbahnhof Maschen. Über gravierende Verspätungen werde natürlich Buch geführt, sagt Festerling weiter. „Im Nahverkehr beherrschen wir das Bild.“ Was beides wenig hilft, wenn der ICE aus München vorbei will und der Eurocity in Hamburg leider nicht warten kann. FLORIAN ZINNECKER