Uwe Söhl, Referent für Sozialpolitik
: Ranzen stapeln gegen Kinderarmut

„Ich wollte eigentlich zur nationalen Armutskonferenz“, sagt Uwe Söhl. „Das habe ich alles gestrichen.“ Grund für die plötzliche Zeitnot ist eine Idee, die der Referent für Sozialpolitik bei der Braunschweiger Diakonie und seine Mitarbeiter in der vergangenen Woche hatten: 6.500 alte Schulranzen wollen sie sammeln, um diese am kommenden Montag vor dem Sozialministerium in Berlin öffentlichkeitswirksam aufzuschütten.

Dabei steht jeder der 6.500 Ranzen für ein Braunschweiger Kind, das Hartz-IV-Leistungen bezieht und mit unvollständigen Lernmaterialien im Unterricht sitzt. Dazu, sagt der 55-Jährige, kämen dann noch rund 1.500 auf ähnlichem materiellen Niveau lebende Kinder, die Kindergeldzuschläge oder Asylbewerberleistungen beziehen – alles in allem, sagt Söhl, ist jedes vierte Braunschweiger Kind betroffen.

Auf Initiative der Diakonie und der Kirchen richtete die Stadt im Sommer 2007 einen Schulfonds ein, der sich neben städtischen Mitteln zum großen Teil aus Spenden speiste. Rund 100 Euro erhält daraus jedes bedürftige Kind für das kommende Schuljahr – eine „große Entlastung für die Familien“, sagt Söhl. Jetzt arbeitet der dreifache Vater daran, das Problem bundesweit publik zu machen, „um zu erreichen, dass bedürftige Familien wieder zusätzliche Gelder für Schulmaterialien beantragen können“: So war es bis zur Hartz-IV-Reform 2005.

Was Söhl, der in seiner Freizeit gerne Briefmarken sammelt, mehrfach betont: Hinter der Schulranzen-Initiative stehe „eine ungewöhnliche Koalition“, nicht nur „Wohlfahrtsfuzzis, die immer nur Geld wollen“. Zum Pressegespräch, das auf die Ranzenaktion aufmerksam machen soll, haben sich Politiker von CDU und SPD, der Braunschweiger Bischof sowie der Direktor der Diakonie angekündigt.

Obwohl die Resonanz groß sei, haben Söhl und seine Mitstreiter seit Samstag erst 50 Ranzen gesammelt. Viele könnten sich davon nicht trennen, sagt Söhl und bleibt optimistisch: „Falls es nur 600 Ranzen werden sollten, dann geben wir eben jedem Abgeordneten einen Ranzen – mit der Bitte, diesen zu füllen. Wir lassen uns da was einfallen.“ JOD