Einstecken – und Klappe halten

Der Börsengang der Deutschen Bahn wirft seine Schatten: Mit dem neuen Winterfahrplan werden im Norden viele Nachtzug-Verbindungen und alle Wintersportzüge gestrichen. Die Mitarbeiter sollen auf Abruf arbeiten. Darüber reden dürfen sie nicht

Die Firma European Railservice gehört formell der DB-AutoZug GmbH. Die bundesweit knapp 700 ZugbegleiterInnen – davon 130 MitarbeiterInnen in Hamburg – sind für die technische Überwachung der Waggons auf einer Fahrt sowie für die Betreuung und den Service der Gäste in den DB AutoZug- und den CityNightLine-Zügen zuständig. Die Firmen CityNightLine AG mit Sitz in Zürich in der Schweiz und die DB AutoZug GmbH in Dortmund gehören wiederum zu 100 Prozent der DB Fernverkehr und somit zur DB Mobility-Logistics, die Bahnchef Hartmut Mehdorn durch den Börsengang zu 24,9 Prozent privatisieren möchte. KVA

VON MAGDA SCHNEIDER

Die direkte Nachtzug-Verbindung von Hamburg über Bremen nach Brüssel und Paris wird mit dem Winterfahrplan der Deutschen Bahn eingestellt. Gestrichen werden auch die Nachtzug-Verbindungen von Bremen nach Basel und Zürich sowie sämtliche Wintersport-Expresszüge in die ausländischen Wintersportgebiete ab Hamburg und Hannover. Gerade die Wintersportzüge seien „sehr beliebt und immer gut gefüllt“ gewesen, berichtet Hans-Peter Dreller von der „Gruppe kritische Bahner im Nachtzug-Verkehr“.

Hintergrund ist der Börsengang der Deutschen Bahn. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat ihn zwar angesichts der Krise auf den Finanzmärkten auf unbestimmte Zeit verschoben, dennoch laufen bereits jetzt die Umstrukturierungen im DB-Konzern, um den Aktionären die versprochenen Renditen zu gewährleisten und den Gewinn bis 2011 zu verfünffachen. Betroffenen ist auch die Bahntochter „European Railservice“, die mit 700 Angestellten das Personal für Service- und Zugbegleitung der DB Nacht- und Autozüge stellt. Die Mutterfirma DB AutoZug soll mindestens 13 Millionen Euro einsparen.

Bahn-Insider vermuten, dass die Bahn Züge auflösen möchte, um getreu einer Studie der Unternehmensberatung KCW Wartungs- und Reparaturkosten zu senken und Neuinvestitionen zu vermeiden. Jede Neuinvestition solle laut Bahnchef Hartmut Mehdorn 16 Prozent Rendite bringen, so ein Insider. „Das ist natürlich in diesem Segment unerreichbar.“

Aber auch das Personal bekommt den Druck des Börsengangs zu spüren. So möchte Railservice am Tarifvertrag rütteln, der mit der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) noch für die früheren Vorgängergesellschaft Mitropa ausgehandelt worden war. „Es gibt Forderungen nach Verschlechterungen, darüber ist auch schon verhandelt worden“, bestätigt NGG-Sprecherin Karin Vladimirov. „Konkrete Ergebnisse“ seien aber nicht in Sicht.

Rund 20 Prozent Lohnkosten möchte Railservice einsparen – Umsatzprovisionen und Überstundenzuschlägen sollen gestrichen werden, ebenso der monatliche Arbeitszeitausgleich. Schon in den letzten Jahren sei eine Arbeitsverdichtung zu spüren gewesen, berichtet eine Betroffene. „Waren früher neun Leute für einen Autozug zuständig, sind heute nur noch sechs Mitarbeiter an Bord.“

„Das Unternehmen strebt eine völlige Flexibilisierung der Arbeitszeiten an“, berichtet auch Hans-Peter Dreller, der früher Railservice-Gamtbetriebsrat in Hamburg war. Wenn es nach der Bahn gehe, sollten die Mitarbeiter in der Sommersaison 70 Wochenstunden ohne freie Tage arbeiten, umgekehrt sollen bei Nichtauslastung sehr kurzfristig Arbeitsabsagen ohne Bezahlung erfolgen. Bislang sind kurzfristige Arbeitsausfälle bezahlt worden.

Auch wenn von Entlassungen bei Railservice momentan noch keine Rede ist, werde sich die Maßnahme auf die Jobs auswirken. „Hamburg wird ziemlich betroffen sein“, befürchtet Dreller. Schon jetzt seien die Mitarbeiter angewiesen worden, Überstunden- und Urlaubskonten abzubauen.

Über das alles dürfen die Railservice-MitarbeiterInnen offiziell aber nicht reden. In einem Brief der Deutschen Bahn, der der taz vorliegt, ist ihnen das verboten worden. Die Angestellten werden darin angewiesen, sich als Bahnangehörige und -repräsentanten in den Zügen und Bahnhöfen nicht über betriebliche Vorgänge zu äußern. „Aufrund strenger rechtlicher Einschränkungen ist es in keinem Fall erlaubt, sich als Vertreter des Unternehmens gegenüber den Kunden zum Prozess des Börsengangs zu äußern“, so der Hamburger Niederlassungsleiter Wolfgang Dietz in dem Brief. Dies gelte insbesondere dann, „wenn sie als Vertreter des Unternehmens nach einer Kaufentscheidung für die Aktie, nach dem Zeitpunkt des Börsengangs oder nach ihrer Einschätzung zur Teilprivatisierung gefragt werden.“