göttinger synagoge
: Clash der Identitäten

Schön, dass Göttingen wieder eine Synagoge hat. Eine historische noch dazu, sorgsam abgetragen und wieder aufgebaut. Endlich kommt zur Geltung, was jahrzehntelang als Scheune diente. Zudem mahnt das aus Bodenfelde stammende Gebäude an die Zerstörung der dortigen jüdischen Gemeinde durch die Nazis. Der Wiederaufbau der Synagoge zeugt von gereiftem historischem Bewusstsein.

KOMMENTAR VON PETRA SCHELLEN

Die Tatsache, dass sich das Fachwerkhaus mäßig in die Innenstadt-Bebauung einfügt, lässt sich aber auch symbolisch deuten: Sie offenbart die brutal unterbrochene Tradition jüdischen Lebens in Deutschland. Denn erstens entstammt das Gebäude einer Zeit, in der dieses Leben facettenreich und oft auch liberal war – von den jüdischen Gemeinden heute lässt sich das leider nicht immer sagen.

Zweitens steht die Synagoge quasi in der Diaspora. Damit teilt sie die Situation der russischen Einwanderer, die die jüdischen Gemeinden aktuell prägen. Sie verließen nicht nur ihre Heimat, sondern fühlen sich, da sozialistisch erzogen, oft fremd in ihrem Jüdischsein.

So prallt das Gotteshaus einer vergangenen jüdischen Kultur auf Menschen, die deren Wurzeln kaum kennen. Sie werden und sollen in Göttingen Gottesdienste feiern. Ob ihnen diese Synagoge hilft, eine stabile jüdische Identität zu entwickeln, ist eine andere Frage.