100 Jahre Geschichte gehen zu Ende

Die Belegschaft des Hohenlockstedter Autozulieferers HWU beendet ihre Betriebsbesetzung. Ex-Eigentümer Vollmann stellt über 500.000 Euro für eine Transfergesellschaft zur Verfügung. Arbeitsminister Döring verspricht Unterstützung

Die Besetzung der Hohenlockstedter „Wälz und Umformtechnik“ (HWU) ist nach einer Woche beendet worden. Am Freitagmorgen stimmte die Belegschaft einstimmig dafür, die Betriebsbesetzung abzubrechen. „Wir haben das Maximale herausgeholt, was in dieser Situation herauszuholen war“, sagte der Chef der IG Metall-Unterelbe, Uwe Zabel. „Niemand muss in die Arbeitslosigkeit gehen – das ist Erfolg eures Kampfes“.

Im Beisein von Schleswig-Holsteins Arbeitsminister Uwe Döring (SPD) gingen die Beschäftigten zum Werktor, lösten die Ketten und löschten die Feuertonne. „100 Jahre Geschichte gehen zu Ende“, so Betriebsratschef Steffen Schmidt in seiner Trauerrede.

Zuvor waren zwischen IG Metall, HWU-Betriebsrat und Döring letzte Eckpunkte abgestimmt worden. Dem Hamburger Insolvenzverwalter Ivo Dengs und dem IG Metaller Zabel war es gelungen, den früheren Eigentümer Axel Vollmann dazu zu bewegen, angesichts des Produktionsstillstandes weit über eine halbe Million Euro für eine Transfergesellschaft der 104 Beschäftigten bereitzustellen. Denn im VW Transporter-Werk in Braunschweig drohte bereits der Stillstand der Bänder. Oberste Priorität von Dengs und Zabel war es gewesen, den Betrieb mit 50 – 70 Leuten fortzuführen. Dies scheiterte jedoch an Vollmanns Ablehnung.

In der Belegschaftsversammlung lobte Arbeitsminister Döring den Einsatz der Belegschaft und kritisierte,„dass ein großes Unternehmen nach und nach Arbeitsplätze abschmelzt und dann auf diese Art schließt“. Döring kündigte an: „Die Landesregierung wird das, was noch fehlt, ergänzen, damit niemand durch das Netz fällt.“ So werde sein Ministerium die Arbeitsagentur anweisen, „Job zu Job-Vermittlungen notfalls mit Qualifizierung durchzuführen“. Auch alle Auszubildenden, die nicht in die Transfergesellschaft wechseln könnten, könnten ihre Ausbildung beenden. Trotz dieser Zusage herrschte Betroffenheit. „Es ist eine Familie, die jetzt auseinander geht“, sagte Betriebsrat Alfred Butt.

Indes ist beim Medizintechnik-Unternehmen Möller Wedel am Freitag die zweite Streikwoche mit einer Solidaritätskundgebung zu Ende gegangen. Die IG Metall möchte mit dem Arbeitskampf um einen Anerkennungstarifvertrag wieder die Tarifbindung für die 150 Beschäftigten herstellen. Die Tariffronten gelten als verhärtet.

Erst in dieser Woche hatte der Geschäftsführer Martin Schmidt unterstrichen, dass der Schweizer Eigentümer, die Haag Streit Holding, bei Möller Schweizer Verhältnisse anstrebe. Schmidt forderte die „MölleranerInnen“ auf, die IG Metall zu verlassen und eine eigene Betriebsgewerkschaft nach eidgenössischer Art zu gründen. Man wolle den Beschäftigte ja gar nichts nehmen, betonte Schmidt: „Nur die IG Metall muss raus.“

Ob dies wirklich die Haltung der Haag-Streit-Manager ist, soll eine Delegation der Streikenden herausfinden, die Freitag nach Bern flog, um mit dem Vorstandschef Walter Inäbnit Sondierungsgespräche zu führen. Wenn sich keine schnelle Konfliktlösung abzeichnet, wollen die Streikende vor der Haag-Streit-Zentrale demonstrieren.

Auf der Solidariätskundgebung hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann der Möller-Geschäftsführung vorgeworfen, sich „außerhalb der Gesetze zu bewegen“. Jeder müsse sich an Gesetze halten, sagte Rossmann „und Tarifverträge sind die Gesetze im Betrieb“. KAI VON APPEN