Sander will Bingo-Geld selbst verteilen

Umwelt- und Entwicklungshilfeorganisationen in Niedersachsen schlagen Alarm: Im Rahmen der Stiftungs-Neuordnung soll ihr Einfluss bei der Verteilung der Gelder der Bingo-Lotterie des NDR gekappt werden

Entwicklungshilfe aus Niedersachsen? Ja, auch das gibt es: Schulen in Mosambik, Frauenarbeit in Kenia oder Menschenrechtsprojekte in Lateinamerika werden schon seit 1997 vom Verband Entwicklungspolitik Niedersachsen (VEN) aus dem Land zwischen Elbe und Ems unterstützt. Aus Mitteln der Bingo-Lotterie des Norddeutschen Rundfunks fließt dafür jedes Jahr rund eine Million Euro. Ein Viertel des Erlöses der TV-Lotterie, mit der sonntags Michael Thürnau und Monika Walden die NDR-Zuschauer heimsuchen, kommt Entwicklungs- und Umweltprojekten zugute. Wer spielt, unterstützt Natur und Nachhaltigkeit. Rund 50 Millionen Euro wurden schon ausgeschüttet. VEN-Geschäftsführer Hannes Philipp hat nun Angst um die Arbeit seiner Entwicklungshelfer: „Wir möchten die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Bingo-Lotterie fortsetzen“, sagt er.

In der alten Form wird das möglicherweise nicht möglich sein. Am kommenden Dienstag entscheidet das Landeskabinett in Hannover über die Neugestaltung der Stiftungslandschaft in Niedersachsen. Dabei sollen auch Teile der Lotto- und der Umweltstiftung zur „Niedersächsischen Bingo Stiftung für Umwelt- und Entwicklungszusammenarbeit“ fusionieren. Jährlich dürfte diese über etwa 4,5 Millionen Euro verfügen. Damit werden Moorflächen gekauft, Plätze vor Kindergärten renaturiert und Umwelt-Bildungsarbeit betrieben.

„Bis heute haben wir keinen Satzungsentwurf“, sagte Carl-Wilhelm Bodenstein-Dresler vom niedersächsischen BUND gestern und sprach von einer „Mauer des Schweigens“ beim zuständigen Umweltminsterium. Hermann Hartmann, Vorsitzender des Umweltrates der Lottostiftung, fürchtet, dass demnächst „der Schwanz mit dem Hund wedelt“.

Mit Recht: Die Verbände werden im neuen Stiftungsrat keine Mehrheit mehr haben und so ihren Einfluss auf die Mittelvergabe verlieren. Künftig soll das Gremium nach Informationen der taz 13 Mitglieder haben: Vertreter von Ministerien und Landtag werden in der Überzahl sein, die Verbände bekommen nur vier Sitze.

Das bestätigt Jutta Kremer-Heye, Sprecherin von Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP), nicht. „Geplant ist es, dass mit der Neuordnung der Stiftungen eine verstärkte Profilbildung im Umweltbereich stattfindet“, betont Kremer-Heye. Und: „Die Belange der Verbände werden im Stiftungsrat angemessen vertreten sein.“ Wie „angemessen“, sagt sie nicht.

Parlament und Verbände müssten bei der Stiftungssatzung mitreden können, forderte gestern die SPD. „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, wenn das FDP-Ministerium zukünftig größeren Einfluss auf die Mittelvergabe und Förderung von Projekten nehmen kann“, ärgerte sich Grünen-Landeschefin Doro Steiner über die „geheime“ Stiftungssatzung. Die Umweltverbände seien für die Landesregierung „offensichtlich Partner zweiter Klasse“. KAI SCHÖNEBERG