Bierglobalisierung trifft Gilde und Beck‘s

350 Bierbrauer demonstrieren in Bremen gegen den Jobabbau beim Bierriesen InBev. Besonders Hannover ist geknickt. Dem hiesigen Traditions-Obergärigen droht ein Sterben auf Raten. Jüttner schäumt vor „Weißglut“

Über den „Gilde-GAU“ tobt der Boulevard, Oppositionsführer Wolfgang Jüttner (SPD) schäumt vor „Weißglut“, für „schmerzhaft, falsch und unakzeptabel“ hält gar der Ministerpräsident den verflixten InBev-Plan – dabei trinkt Christian Wulff (CDU) am liebsten Saft. Bier ist ein höchst emotionales Gut, aber nicht vor den Folgen der Globalisierung gefeit. Der belgisch-brasilianische Bier-Riese speckt ab, die Dependancen im Norden müssen bluten.

250 Beschäftigte der InBev-Brauerei in Bremen (Beck’s, Haake Beck) demonstrierten gestern zusammen mit 100 Kollegen aus Hannover (Gilde, Lindener Spezial) in der Deutschlandzentrale an der Weser gegen geplante Entlassungen. In Bremen drohen nach Angaben der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) 65 Entlassungen, in Hannover sollen gar 90 von 132 Mitarbeitern gehen.

Das würde ein Sterben auf Raten für die hannoverschen Traditionsmarken bedeuten. Angeblich gibt es Pläne, die Produktion auf 15 Mitarbeiter herunter zu fahren. „Wir machen unser Unternehmen damit wetterfest vor dem Hintergrund eines schwierigen Geschäftsjahrs 2009“, sagt ein Sprecher, für Bremen gebe es noch „keine konkreten“ Personalüberlegungen.

Die Gewerkschaft wirft InBev vor, Mitarbeiter aus reiner Profitgier zu entlassen. „Dafür gibt es keinen Grund – außer, die Braut schön für den Verkauf zu machen“, sagte NGG-Geschäftsführer Dieter Nickel. Es sei kein Geheimnis, dass InBev den Verkauf des Deutschlandgeschäfts plane.

2001 hatte der belgische Konzern Interbrew die Bremer Beck’s-Brauerei und 2003 die Mehrheit an Gilde übernommen. 2004 fusionierte Interbrew mit der brasilianischen AmBev zur InBev, die jetzt offenbar Kapital benötigt. Hannover ist geknickt: Immerhin wurde das Obergärige 1526 erstmals urkundlich erwähnt. Die Stadt hatte einst Gilde-Aktien für 52,25 Millionen Euro nur unter der Bedingung verkauft, es dürfe fünf Jahre lang keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Diese Frist ist nun vorbei. OB Stephan Weil (SPD) grübelt, wieder einzusteigen. „Jetzt gildet’s“, facht die Hannoversche Allgemeine Zeitung die Empörungswelle an.

Vorbild für die Landeshauptstadt ist diesmal ausgerechnet Altrivale Braunschweig. Die dortige Wolters-Brauerei wurde 2006 von InBev an ehemalige Gilde-Manager für 8,3 Millionen verkauft, die Stadt verschenkte das Brauereigrundstück – Wolters schlägt sich seither wacker. KAI SCHÖNEBERG