Grüne schicken Privatdetektiv

Schnüffler sollte ermitteln, ob ein Bezirksabgeordneter der GAL tatsächlich in Hamburg wohnt. Der betroffene Parlamentarier verließ die Fraktion im Streit und verhinderte damit eine schwarz-grüne Koalition in der Bezirksversammlung Nord

VON GERNOT KNÖDLER

Die Grünen im Hamburger Bezirk Nord haben sich im Streit mit zwei ausgetretenen Fraktionsmitgliedern eines Privatdetektivs bedient. Wie der Fraktionsvorsitzende Holger Koslowski einräumte, hat die Fraktion einen Anwalt beauftragt, „eine Anschriftenermittlung durchzuführen“. Der Anwalt wiederum schickte einen Detektiv zum mutmaßlichen Wohnsitz von einem der Abweichler. Der Ermittler sollte vor Ort klären, ob das Ex-Mitglied der Bezirksfraktion in Schleswig-Holstein statt, wie im Wahlgesetz vorgeschrieben, in Hamburg gelebt hat.

Der Vorgang schlägt Wellen: „Wir sind alle einigermaßen erstaunt, dass eine Partei, die den Datenschutz hochhält, mit Hilfe eines Privatdetektivs versucht, ihre Angelegenheiten zu organisieren“, kommentiert der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Andreas Dressel. Selbst Jurist, sitzt Dressel im Verfassungs- und Bezirksausschuss der Bürgerschaft, der prüft, ob der ausgespähte Bezirksabgeordnete Siegfried Diebolder sein Mandat zu Recht ausübt. Das ist nur der Fall, wenn Diebolder seinen Lebensmittelpunkt in Hamburg hat.

Die GAL-Bezirksfraktion hat das Mandatsprüfungsverfahren selbst beantragt. Unklar ist, ob sie das getan hat, weil ein Abgeordneter mit zweifelhaftem Wohnsitz die Fraktion angreifbar gemacht hätte – oder weil sie Diebolder aus der Bezirksversammlung kegeln wollte, nachdem er die Fraktion verlassen hatte. Der Austritt Diebolders und seiner Fraktionskollegin Dorle Olszewski verhindert eine schwarz-grüne Koalition im Bezirk. Dem Bündnis fehlt eine Stimme zur absoluten Mehrheit.

Fraktionschef Koslowski sagt, schon bei der Listenaufstellung für die jüngste Bezirksversammlungswahl habe es Zweifel gegeben, ob Diebolder in Hamburg wohne. Auf Drängen der Fraktion habe sich dieser in Hamburg angemeldet. Im Sommer 2008 sei dann Post an Diebolder zurück gekommen, so dass sich die Fraktion gefragt habe: „Was ist da los?“ Diebolder sei gebeten worden, bis zum 31. Dezember eine Hamburger Meldeadresse nachzuweisen. Als die Frist verstrich, habe die Fraktion den ehemaligen GAL-Bezirksabgeordneten und Anwalt Rainer Utikal gebeten, bei Diebolder nachzuhaken.

Mitte Januar treten Diebolder und Olszewski aus der Fraktion aus. Noch am selben Tag beantragt Koslowski das Mandatsprüfungsverfahren. Er sei schon voher entschlossen gewesen, die Bezirksverwaltung gegebenenfalls auf den zweifelhaften Status Diebolders aufmerksam zu machen, behauptet Koslowski.

Diebolder sagt, er und Olszweski seien schon seit Monaten unzufrieden mit ihrer Lage in der Fraktion gewesen. Aus allen Ausschüssen seien sie herausgewählt worden. „Die Stimmung in der Fraktion wurde immer frostiger“, sagt Diebolder. Von inhaltlichen Differenzen ist weder bei den beiden Abweichlern noch bei der Fraktionsführung die Rede. Schon im Oktober hätten er und Olszweski eine eigene Website eröffnet, sagt Diebolder. Dass das aus Rache geschehen sei, „weil die mein Mandat überprüfen wollten“, stimme nicht, behauptet er. Allerdings sind die wiederholten Verhandlungen mit der Fraktion seiner Darstellung nach an der Mandatsprüfung gescheitert. „Ich komme nicht zurück, wenn mein Mandat in der Schwebe ist“, sagt Diebolder.

Warum die Fraktion dem nicht nachgegeben haben sollte, ist ungewiss. Denn der Verfassungsausschuss hätte den unübersichtlichen Fall lieber heut‘ als morgen von der Backe. Diebolder habe die Nachweise, dass er in der fraglichen Zeit in Hamburg wohnte, weitgehend erbracht, sagt der Ausschussvorsitzende Kai Voet van Vormizeele. „Aus meiner Sicht ist keine Lücke ersichtlich.“ Die Ermittlungen Utikals und seines Helfers hätten für den Ausschuss keine Relevanz.

SPD-Ausschussmitglied Andreas Dressel sagt: „Uns wäre es am liebsten, wenn die Antragsteller ihre Anträge zurückzögen.“ Das betrifft das von der GAL-Fraktion angestiftete Bezirksamt Nord und Utikal, der wie er sagt, als „Bürger“, um Mandatsprüfung gebeten hat.

„Wer‘s glaubt wird selig“, kommentiert Dressel. Der SPDler fragt sich, ob womöglich eine Verfälschung von Wahlunterlagen anzunehmen sei. Wenn schon zum Zeitpunkt der Listenaufstellung die melderechtliche Situation nicht in Ordnung gewesen sei, liege das nahe. Dabei handele es sich in einer Demokratie um einen gravierenden Vorgang. „Es geht nicht um falsch Parken“, sagt Dressel.

Für die Nase SPD-Abgeordneten „stinkt das in verschiedene Richtungen“. Anscheinend habe Koslowsiki das Melderecht erst aus dem Hut gezogen, als es politisch opportun gewesen sei. Dass Diebolders Umfeld ausgespäht wurde, sei unappetitlich. „Politische Differenzen müssen als politische Differenzen ausgetragen werden“, sagt er.

Unterdessen wehrt sich Diebolder gegen Berichte, er habe solo mit der GAL über einen Wiedereintritt in die Fraktion verhandelt. „Wir haben immer betont , das eine Rückkehr in die GAL-Fraktion entweder gemeinsam oder gar nicht stattfindet“, teilten Diebolder und Olszewski mit. Die Gerüchte seien der Versuch, sie beide auseinander zu dividieren. In diesem Fall könne er sich in seinem Stadtteil Langenhorn nicht mehr sehen lassen, sagt Diebolder. Schon jetzt sei ihm der Vorwurf gemacht worden, er wolle sich zu Lasten Olszewskis einkaufen lassen.