Conti schließt zwei Reifen-Werke

Nach 138 Jahren will der Autozulieferer die Produktion von Reifen am Stammsitz in Hannover wegen der Absatzflaute aufgeben: 780 Arbeitsplätze fallen somit weg. Die Gewerkschaft IG BCE kritisiert den „Konfrontationskurs“

Wegen „massiver Nachfrageeinbrüche“ will der Autozulieferer Continental die Produktion von Reifen an seinem Stammsitz in Hannover aufgeben. Nachdem dort vor gut einem Jahr bereits die Pkw-Reifen-Herstellung eingestellt wurde, kündigte Conti am Mittwoch auch die Schließung des Lkw-Reifen-Werkes an. Bis zum Jahresende sollen hier 780 Arbeitsplätze gestrichen werden.

1871 hatte Continental mit der Pneu-Produktion für Kutschen und Fahrräder in Hannover begonnen. Das in eine Übernahmeschlacht mit dem fränkischen Zulieferer Schaeffler verwickelte Unternehmen will zudem ein Werk in Clairoix in Frankreich dicht machen, hier fertigen 1.120 Mitarbeiter Pkw-Reifen. Im slowakischen Puchov soll die Produktion von Lkw-Reifen um 20 Prozent gedrosselt werden.

Noch hat Conti in Europa Kapazitäten für die Produktion von vier Millionen Lkw- und 87 Millionen Pkw-Reifen. Der Absatz von Lkw-Reifen sei im letzten Quartal 2008 jedoch um knapp 20 Prozent, der von Pkw-Reifen um mehr als 20 Prozent abgesackt, heißt es in einer Mitteilung. Dieser Trend habe sich „in den ersten zwei Monaten in 2009 dramatisch beschleunigt“. Weil die Kapazitäten auch mittelfristig nicht optimal ausgelastet werden könnten, schließe man die beiden Werke mit den höchsten Kosten. „Und das sind für Pkw-Reifen Clairoix und für Nutzfahrzeugreifen Hannover“, sagte der verantwortliche Conti-Vorstand Hans-Joachim Nikolin.

Conti hat in Hannover noch insgesamt 7.500 Beschäftigte. Davon ist knapp ein Drittel in der Verwaltung, Forschung und Entwicklung tätig, die meisten Conti-Beschäftigten produzieren Gummiprodukte und Autoteile. „Statt in kurzsichtiger Hektik dem Unternehmen und seinen Beschäftigten schweren Schaden zuzufügen“, sprach sich der IG-BCE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt für langfristige Lösungen aus und warf dem Conti-Vorstand einen „Konfrontationskurs“ vor. „Die Landesregierung hat ein hohes Interesse daran, das Know-How der hoch qualifizierten Conti-Mitarbeiter zu wahren“, sagte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP).

Für Spekulationen sorgt ein angeblich „privater“ Besuch von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo er mit dem Kronprinz von Abu Dhabi sprach. „Über einen Einstieg bei Conti?“ mutmaßten die Zeitungen in Hannover – prompt schoss der Aktienkurs um 17 Prozent in die Höhe. KAI SCHÖNEBERG