Die Hypnose des Herrn M.

Weil auf Kaffeefahrten wirkungslose Bio-Magnet-Decken für 800 Euro verkauft wurden, musste sich ein ehemaliger Veranstalter wegen Betrugs jetzt vor dem Bremer Amtsgericht verantworten

Sie habe gewusst, dass man sowas nicht macht. Aber sie war wie hypnotisiert

Wie hypnotisiert sei sie gewesen, sagt Christel D., ihre Augen blitzen auf. „Wie hypnotisiert.“ Nächte, die nicht länger schlaflos sind – zu verlockend, diese Aussicht. Also hat sie sich von Herrn M. nach Hause fahren lassen, der Verkäufer hatte die schöne neue „Bio-Magnet-Decke“ ja auch gleich dabei. Dann weiter zur Bank, die 800 Euro überweisen. Ihr Mann war auch dabei. Ja, sie habe schon gewusst, „dass man sowas nicht macht“. Aber sie war ja eben wie hypnotisiert.

Der Nachtschlaf blieb weiter aus. Es dämmerte ihr. Seitdem sind mehr als drei Jahre vergangen, Frau D. kann sich an das Datum, den 24. November 2005, noch immer genau erinnern. Und weil sie, trotz umgehend storniertem Kaufvertrag, ihr Geld nie wiederbekam, strengte sie einen Betrugsprozess an. Auf der Anklagebank des Amtsgerichts Bremen sitzt indes nicht Herr M., sondern sein früherer Auftraggeber, Michael W., einst Inhaber von „CCW Bremen“, einem Veranstalter von Kaffeefahrten wie jener ins schöne Burgdorf, einem Fachwerkstädtchen östlich von Hannover. Herr und Frau D. waren öfter schon auf solchen Fahrten. Eingekauft hatten sie vorher nie.

Michael W. will sich zu den Vorkommnissen in der Gaststätte „Zum Grünen Jäger“ nicht äußern. Er sei ja „nirgendwo selbst auf den Plan getreten“, sagt sein Verteidiger, der Betrug sei juristisch betrachtet nicht nachzuweisen. Das Wort „unschuldig“ sagt er nicht. Staatsanwalt Winfried Braun kennt die Szene „sehr genau“, sagt er. Und sie ist „sehr abgeschlossen“. Doch die Branche „boomt“, sagt Braun, da gebe es Leute, die bis zu 300.000 Euro pro Woche umsetzten. Zum Beispiel mit günstig in China erstandenen Bio-Magnet- oder Heizdecken, eingekauft für 20, 30 oder 40 Euro.

Michael W. ist raus aus dieser Szene, sagt sein Anwalt. Der 40-Jährige, ein gelernter IT-Systemkaufmann, ist arbeitslos. Er bezieht Hartz IV, hat einen Offenbarungseid abgegeben, die förmliche Anerkennung einer ultimativen Pleite. Mehr als 50 Gläubiger stehen bei ihm Schlange, sagt sein Anwalt. Und er habe „immense“ Schulden. „Der wird arbeiten“, sagt der Staatsanwalt dann, „aber natürlich schwarz.“ Nachzuweisen ist ihm das nicht.

Christel D. will nur ihr Geld, 800 Euro für eine schon lange zurück gegebene Decke, plus Porto und 265 Euro Anwaltskosten, alles säuberlich dokumentiert und in einer Klarsichthülle aufbewahrt. Muss sie sich unter die Gläubiger von Herrn W. einreihen, bekommt sie allenfalls ein paar Euro. Vielleicht.

Die Beweislage ist „dünn“, monieren Verteidigung und Amtsrichterin. Dass W. einer Bio-Magnet-Decke „Wirkungen beimessen ließ, die sie nicht hatte“, wie die Anklage schreibt, reicht da bei weitem nicht aus. Ihm müsste Vorsatz nachgewiesen werden, vor allem aber persönliche Schuld. Der Verkäufer, nur als einer von vier, oder fünf Zeugen geladen, „wird seinen Auftrag nicht von Gott gehabt haben“, sagt der Staatsanwalt.

Am Ende muss er sich mit einer vorläufigen Einstellung des Verfahrens wegen geringfügiger Schuld zufriedengeben. Immerhin handelt die Anklage 450 Euro für Frau D. aus, 250 mehr als von W. angeboten waren. „Sein Name wurde nur benutzt“, sagt der Verteidiger noch. Von wem, will der Staatsanwalt wissen. Schweigen. „Hätte er den Namen preisgegeben“, vielleicht außerhalb dieses Verfahrens, hätte man ihm nicht den Prozess gemacht? W. nickt. JAN ZIER