Ärztekammer auf Abwegen

Die Hamburger Ärztekammer gab personenbezogene Daten eines Mediziners an einen privaten Abmahn-Verein weiter. Der zuständige Datenschutzbeauftragte sieht dafür „keine rechtliche Grundlage“, die Staatsanwaltschaft ermittelt

Unklar ist, ob die Datenweitergabe überhaupt ein Einzelfall war

VON MARCO CARINI

Die Hamburger Ärztekammer hat ohne jede Rechtsgrundlage personenbezogene Daten von mindestens einem Mediziner an einen privaten Verein weitergeben. Zu diesem Schluss kommen der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Hans-J. Menzel und der Anwalt eines der Betroffenen, Corvin Fischer. Während Menzel die Kammer in einem Schreiben rügte und aufforderte, ihre Praxis zu ändern, stellte Fischer inzwischen Strafanzeige gegen den verantwortlichen Kammer-Mitarbeiter.

Darum geht es: Die Kammer forderte im vergangenen Jahr den Mediziner Wladimir L. auf, nicht mit einem in seinem Heimatland erworbenen Doktortitel zu werben und zu behaupten, er sei Facharzt für Akupunktur und Chirotherapie. Der solchermaßen Angefahrene ist gebürtiger Ukrainer und hat auch dort studiert. Als Wladimir L. sich weigerte, dieser Untersagung nachzukommen trat die Kammer die juristische Durchsetzung ihres Begehrens an den Berliner Verein „Verband Sozialer Wettbewerb e. V.“ ab. Und der verklagte den Mediziner prompt wegen unlauteren Wettbewerbs. Dabei übermittelte die Kammer offenbar personenbezogene, nicht öffentliche Daten des in Hamburg praktizierenden Arztes an den Verein.

Rechtsanwalt Fischer spricht gar davon, Wladimir L.s „komplette Personalakte“ sei nach Berlin gewandert, und sieht darin „einen schweren Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen und die Persönlichkeitsrechte meines Mandanten“. Da die Ärztekammer als Körperschaft öffentlichen Rechts „ihr anvertraute personenbezogene Daten, die sie als Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde erhielt, an einen Dritten weitergegeben hat“, der nicht zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichtet sei, sieht Fischer sogar den Tatbestand des „Bruchs des Amtsgeheimnisses“ erfüllt.

Gegen den zuständigen Kammer-Mitarbeiter Jasper K. stellte Fischer eine entsprechende Strafanzeige mitsamt Strafverfolgungsantrag bei der Hamburger Staatsanwaltschaft. Die hat inzwischen ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten eingeleitet.

Rückendeckung erhält der Rechtsanwalt vom Hamburger Datenschutzbeauftragten Hans-J. Menzel. Auch dieser kann „keine Rechtsgrundlage“ für den umstrittenen Transfer von Daten erkennen. Lediglich öffentlich zugängliche Informationen über den Mediziner, wie sie etwa auch das Ärzteregister bereithält, hätte die Ärztevereinigung an Dritte übermitteln dürfen, sagt Menzel.

Eine Umfrage des Datenschützers bei den Ärztekammern anderer Länder ergab, dass lediglich in Sachsen-Anhalt vergleichbare Übermittlungen personenbezogener Daten erfolgt. Auch hier aber ist der Landesbeauftragte für Datenschutz mit der umstrittenen Praxis bereits befasst. Die Hamburger Kammer forderte Menzel vor zwei Wochen auf, ihre Praxis umgehend zu ändern. Eine Reaktion auf sein Schreiben hat der Datenschützer bis heute nicht erhalten.

Dabei ist unklar, ob die personenbezogene Datenweitergabe überhaupt ein Einzelfall ist: Regelmäßig lässt sich die Hamburger Ärztekammer nach eigenen Angaben bei berufsrechtlichen Verfahren gegen Einzel-Mitglieder von dem Berliner Abmahn-Verein vertreten. Und stellt diesem für seine Tätigkeit möglichst umfangreiche Informationen zur Verfügung. Dabei sei es aber zumindest „unüblich, persönliche Daten zu übermitteln“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme der Kammer an die taz.

Obwohl sie „zu konkreten Fällen wegen der Amtsverschwiegenheit nichts sagen“ mag, betont die Standesorganisation weiter, dass Personalakten nicht an Dritte weitergegeben worden seien. „Im Gespräch mit dem Datenschutzbeauftragten“ werde man nun prüfen, wie es weiterhin möglich sei, „Wettbewerbsverstöße im Sinne des Patientenschutzes“ zu ahnden.