Dubiose Heilsversprechen

KREBSVORBEUGUNG Norddeutsche Mediziner fordern Neubewertung von HPV-Impfung für junge Mädchen. Pharma-Kampagne bewirke Irreführung der Öffentlichkeit

VON MARCO CARINI

Norddeutsche Mediziner machen mobil gegen die Pharma-Kampagne für eine Impfung zwölf- bis 17-jähriger Mädchen gegen das HPV-Virus (siehe Kasten), das Gebärmutterhalskrebs auslösen kann. Schwere Vorwürfe gegen den Impfstoff-Hersteller, aber auch gegen Krankenkassen und die Ständige Impfkommission (Stiko) am Robert-Koch-Institut prägten am Mittwoch eine Experten-Tagung. Diese wurde von der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung (HAG), Pro Familia und dem Hamburger Familienplanungszentrum veranstaltet. Der Tenor: Es gebe kaum wissenschaftliche Erkenntnisse über Nutzen und Nebenwirkungen der Impfung, die verfrüht „in den Markt gedrückt“, von der Stiko empfohlen und von den Kassen in ihr Leistungspaket aufgenommen worden sei.

Dem Impfstoff-Hersteller Sanofi Pasteur wirft der Bremer Professor für Arzneimittelforschung Gerd Glaeske vor, mit einer beispiellosen PR-Kampagne eine „völlige Irreführung der Öffentlichkeit“ zu betreiben. Diese suggeriere, die Impfung sei „ein Allheilmittel gegen Gebärmutterhalskrebs“.

Dabei gäbe es keine Studien über Langzeitwirkungen, es werde verschwiegen, dass die Impfung nur zwei von 15 Viren, die den Krebs auslösen könnten, bekämpfe und es zumindest in Einzelfällen zu schweren Impfkomplikationen gekommen sei. Die Hamburger Medizinerin Ingrid Mühlhauser warf Sanofi Pasteur zudem vor, „Forschungsergebnisse bewusst zurückzuhalten“ und keine Begleitstudien aufzulegen. So könne auch in zwanzig Jahren nicht überprüft werden, ob geimpfte Frauen seltener an Krebs erkranken würden, als Frauen ohne Impfschutz.

„Junge Mädchen werden durch Fernsehspots und den Einsatz von Promis gedrängt, sich impfen zu lassen“, sagt Glaeske. Silke Moritz von Pro Famila hat beobachtet, dass „junge Mädchen und ihre Mütter total verunsichert und unter Druck seien“. Auf der einen Seite gelte es inzwischen als „fahrlässig“, sich nicht impfen zu lassen, andererseits würden die durchsickernden Informationen über mögliche Nebenwirkungen die Angst verstärken, „etwas Schädliches zu tun“. Zudem glaubten viele geimpfte Mädchen, umfassend gegen Gebärmutterhalskrebs geschützt zu sein, sodass weitere Vorsorgeuntersuchungen unnötig wären. „Nichts ist gefährlicher als falsche Sicherheit“, warnt deshalb HAG-Chef Leonard Hajen.

Dabei wollen die Tagungsteilnehmer trotz aller Kritik „weder von der Impfung abraten, noch diese empfehlen“. Dafür lägen eben „einfach zu wenig gesicherte Erkenntnisse“ vor. Wichtig sei deshalb, dass die Frauenärzte vor einer Impfung „umfangreich und ergebnisoffen über alle Aspekte informieren würden“.