Busemann schließt kleine Knäste

STRAFVOLLZUG Zehn Gefängnissen in Niedersachsen droht das Aus – das spare Geld und verbessere die Haftbedingungen, sagt der CDU-Justizminister. Die SPD sieht darin die Vorarbeiten zur Privatisierung

Niedersachsens Justizministerium findet, der Strafvollzug im Land sei „komfortabel“ ausgestattet.

■ 19 Justizvollzugsanstalten betreibt die Landesregierung. Die 38 Filialen eingerechnet verfügen sie über 7.500 Haftplätze. Zurzeit sind 6.500 belegt.

■ Der Private-Partnership-Knast in Bremervörde soll 2012 eröffnet werden. Nach Plänen des Justizministeriums soll die Wirtschaft die Baukosten tragen und 40 Prozent des Personals stellen. Hoheitliche Aufgaben sollen auch in Zukunft von Beamten übernommen werden.

■ Vorbild ist die JVA Hünefeld in Hessen, wo 120 Mitarbeiter der Firma Seco unter anderem Küchen- und Wachdienste übernehmen. Hünefeld ist defizitär.

VON MICHAEL QUASTHOFF

Das Städtchen Königslutter ist stolz auf seinen Kaiserdom, das Duckstein-Bier und die tadellos geführte Justizvollzugsanstalt. Das schmucke Gebäude war einst ein Schloss, dann Gericht; jetzt beherbergt es 33 Gefangene im offenen Vollzug. Doch der JVA droht die Schließung, wie neun weiteren Anstalten im Land.

Das Gefängnissterben ist der „notwendigen Neuordnung des Justizvollzugs“ geschuldet, wie Justizminister Berd Busemann (CDU) sagt. Die Opposition nennt es „Irrsinn“ und eine „vorgeschobene Rechtfertigung“, um in Bremervörde Niedersachsens ersten Private-Partnership-Knast aus dem Boden zu stampfen – ein Beton-Monstrum für 300 Gefangene. Kosten: 270 Millionen Euro.

Letztlich rechne sich das in jeder Beziehung, erläutert Justiz-Pressesprecher Georg Weßling. „Wir sparen Bau- und Personalkosten, bauen im offenen Vollzug Überkapazitäten ab, verbessern Sicherheit und Haftbedingungen.“ Die kleinen JVAs hätten oft keine Therapieplätze, kein Freizeitangebot, keine Ausbildungs- und Arbeitsstätten – und allesamt hohen Sanierungsbedarf. Der belaufe sich „allein in Königslutter auf 170.000 Euro“.

Das wiederum ist erstaunlich, wurde die JVA doch erst 2007 für 385.000 Euro in Schuss gebracht. Das Gefängnis sei „in einem Topzustand“, sagt Marco Brunotte, justizpolitischer Sprecher der SPD im Landtag. Er hat die Anstalt im Februar besichtigt, zusammen mit Dieter Münzebrock, Leiter der JVA Wolfenbüttel, dem die Außenstelle Königslutter untersteht.

Auch Münzebrock kann die Argumentation des Ministeriums nicht nachvollziehen. Alle Freigänger verfügten über einen Arbeitsplatz, Freizeit, und Sport werde von ihnen selbst organisiert. „Meine Leute arbeiten hier gut, einschließlich der Suchtberatung. Ich sehe keinen Grund für eine Schließung“, sagt er.

Den sucht man auch in anderen bedrohten JVAs vergeblich. Zum Beispiel in Holzminden, wo der Stadtrat den Erhalt der immer wieder modernisierten Anstalt gefordert hat. Oder in Osnabrück: Die offene Vollzugsabteilung wurde vor zwei Jahren für 50.000 Euro aufgemöbelt – in Gemeinschaftsarbeit von Insassen und Bediensteten. Der Direktor ist „besonders stolz“ auf die „100 Prozent Beschäftigung bei unseren Inhaftierten.“

Wer marode Gefängnisse sehen will, muss nicht in die Provinz, sondern in die JVA Hannover fahren. Dort hatten vergangene Woche 60 Häftlinge rebelliert. Ein Tross Landtagsabgeordneter, der sich ein Bild der Lage verschaffte, war entsetzt über bröckelnden Putz, wuchernden Schimmel, Wassereinbrüche, zerbrochene Möbel und zu wenig Personal. Insgesamt ein „erbärmlicher Zustand“ resümierten die MdLs einschließlich der CDU-Vertreter. Minister Busemann hatte von all dem nichts bemerkt, als er kurz zuvor telegen in einem sanierten Gebäudeteil der JVA nächtigte.

Weshalb ihm die Opposition generell eine „verzerrte Wahrnehmung“ attestiert – vor allem, was den Umbau der Vollzugslandschaft angeht. SPD-Mann Brunotte hält Busemanns hehre Sorge um verbesserte Standards, mehr Sicherheit, straffere Strukturen und Spareffekte für Augenwischerei. Dass bedeute nur „realitätsfremde Zentralisierung“ und wie das Projekt Bremervörde zeige, „den Einstieg in eine privatwirtschaftlich betriebene Gefängnislandschaft“.

Unterstützt wird Brunotte dabei vom Bund der Strafvollzugsbeamten Deutschlands (BSBD). Der Vorsitzende Anton Bachl kritisierte Bremervörde als „vollzuglichen Irrweg“ und verwies auf die JVA Hünefeld in Hessen. Dort arbeiten 120 Angestellte der Firma Seco im Service, aber goldene Verheißungen wie geringere Kosten oder weniger Ärger seien bis jetzt „nicht eingetreten“.