Nazis lassen Akten verschwinden

RIEGERS ERBE Aus der Hamburger Kanzlei des NPD-Vizen Jürgen Rieger sind wichtige Dokumenten entwendet worden. Diese könnten belegen, ob es einen Bevollmächtigten für die „Wilhelm-Tietjen-Stiftung“ gibt

Zwei Tage nach Riegers Schlaganfall verschwanden wichtige Akten aus der Kanzlei

Der Nachlass des stellvertretenden NPD-Vorsitzenden Jürgen Rieger sorgt weiterhin für Aufregung. Wie der niedersächsische Verfassungsschutz am Montag bestätigte, sind wichtige Akten der „Wilhelm-Tietjen-Stiftung“ aus der Hamburger Kanzlei des verstorbenen Rechtsextremisten verschwunden. Die in London registrierte Firma tritt bei diversen Rieger-Immobilien als Eigentümerin auf. Die Akten könnten Auskunft darüber geben, ob Rieger einen Bevollmächtigten für die Stiftung benannt hat.

Für die Gemeinden Dörverden und Faßberg wäre das Wissen um den Rechtszustand der Firma besonders hilfreich, um Nutzungen oder Käufe abwehren zu können. Hat doch Rieger als Inhaber der „Wilhelm Tietjen Stiftung“ in Dörverden den „Heisenhof“ erworben und in Faßberg das „Landhotel Gerhus“ gepachtet. Auf den Anwesen wollte er Zentren für „nationale Menschen“ etablieren.

Faßbergs parteiloser Bürgermeister Hans-Werner Schlitte erklärte unlängst, dass die Nachricht vom Tod Riegers eine „gewisse Erleichterung“ ausgelöst habe, die Rechtslage um die Immobilien aber weiterhin unklar sei. Bereits zwei Tage nach dem Schlaganfall des NPD-Politikers hatten sich Gesinnungskameraden Zutritt in Riegers Kanzlei verschafft. Seitdem sind die Akten über die Stiftung verschwunden.

Die nach dem Bremer Lehrer und NSDAP-Mitglied Wilhelm Tietjen benannte Stiftung besteht seit mittlerweile acht Jahren. Jürgen Rieger vermachte ihr sein gesamtes Vermögen. Den veröffentlichen Bilanzen für das Jahr 2008 ist zu entnehmen, dass die Firma ein Sachkapital von rund 478.000 Euro hat. Diesem stehen allerdings rund 527.000 Euro Forderungen entgegen. Laut Bilanzbericht soll seit 2004 der schwedische Rechtsextremist Ingemar Lext „Company Secretary“ der Firma sein. Ohne die Dokumente aus Riegers Kanzlei ist jedoch unklar, ob Lext nach dem Tod des NPD-Vizen als Bevollmächtigter auftreten könnte.

Nicht bekannt ist ebenso, welche Befugnisse der Schwede bereits besitzt. Der niedersächsische Verfassungsschutzpräsident Günter Heiß denkt dennoch, dass „das Verschwinden der Akten nicht entscheidend ist für einen Bevollmächtigten, der für die Tietjen-Stiftung auftritt“. Mögliche Konflikte mit einem Nachfolger sehe er nicht, sagt Heiß. ANDREAS SPEIT