„Abendblatt“ melkt online-Leser

INTERNET Online-Artikel mit regionalem Bezug sind seit gestern bei allen Springer-Blättern kostenpflichtig

Das Verständnis für die Zahlpflicht hielt sich in Grenzen

Wer gestern im Online-Angebot des Hamburger Abendblatts Näheres über den von seiner Reederei gefeuerten Kapitän der „Hansa Stavanger“, Krzysztof Kotiuk, erfahren wollte, bekam zwar ein hübsches Foto, aber sonst nur eine Überschrift. Springer hat ernst gemacht: Seit gestern sind fast alle Geschichten mit regionalem Bezug kostenpflichtig.

Für AbonnentInnen der gedruckten Zeitung ändert sich nach Registrierung nichts: Sie können weiter alles lesen. Der Rest der Welt wird nicht wie bei den Websites anderer Zeitung per Micropayment – mit einer Cent-Summe pro Artikel – zur Kasse gebeten, sondern soll für 7,95 Euro einen „30-Tage-Zugang“ erwerben.

Die von Konzernchef Mathias Döpfner länger angekündigte Strategieänderung garniert die nach den Worten ihres Chefredakteurs Claus Strunz „viertwichtigste Zeitung Deutschlands“ mit wohlgesetzter Prosa: „Es ist aussichtslos, spotten Experten. Es ist selbstmörderisch, argwöhnt die Konkurrenz. Es ist unverschämt, denken die Nutzer. Und doch werden wir es tun: Wir wagen, Werthaltiges im Netz künftig nicht mehr zu verschenken, sondern zu verkaufen.“

Das Abendblatt ist dabei in guter Gesellschaft: Springer liegt nun auf gleichem Kurs wie viele internationale Zeitungshäuser. Rupert Murdochs Londoner Times soll nach einem Online-Relaunch nächstes Frühjahr im Netz überwiegend kostenpflichtig werden, das internationale Wirtschaftsblatt Wall Street Journal hatte sich stets der totalen Kostenlosigkeit im World Wide Web verweigert.

Bei den abendblatt.de-NutzerInnen kam der Kurswechsel gestern unterschiedlich an: „Schade, das war‘s dann wohl – Tschüss und vielen Dank für alles!“, postete Leser Julian Rausche als Kommentar unter der „Ankündigung in eigener Sache“. Es war noch einer der höflicheren Abschiede: „Hunderte Leute entlassen, zig Azubis nicht übernehmen – aber dann so ’ne Scheisse einführen?“, war auch zu lesen. Verständnis für die Zahlpflicht oder gar Zustimmung hielt sich in Grenzen. Immerhin ist das e-Paper billiger geworden – vorher hatte es statt 7,95 Euro im Monat noch 13,95 Euro gekostet. STG