Ein Fall wie jeder andere

PROZESS Vor Gericht muss sich ein Neonazi wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten

Das „Politische“ wollte Jugendrichter Werner Schulz aus dem Prozess heraushalten. „Egal ob links, rechts oder geradeaus, für mich ist es ein Fall wie jeder andere“, sagte Schulz. Vor dem Amtsgericht Wildeshausen konnte der politische Hintergrund der Verhandlung gegen Mario M. nicht ausgeblendet werden. „Solidarität ist eine Waffe“ stand auf einem Transparent, das vermummte Anhänger der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) hochhielten.

Am Mittwoch wollten sie ihren Kameraden M. unterstützen. Vor Gericht musste sich M. wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung und Nötigung verantworten. Unter massiven Sicherheitsmaßnahmen wurde der Prozess eröffnet. Der niedersächsische JN-Landesvorsitzende Julian Monaco aus Delmenhorst forderte „Freiheit für unseren Freund“. Später jubelten die etwa zwanzig JN-Anhänger. Das Verfahren gegen M. wurde eingestellt. 50 Arbeitsstunden muss der 21-Jährige leisten.

Die Öffentlichkeit hatte Richter Schulz beim Verfahren ausgeschlossen. „Es war zu Zeugen- und Wertungswidersprüchen gekommen“, sagte der Gerichtssprecher Detlev Lauhöfer. Zeugen sollen den Täter nicht genau erkannt haben, mehr konnte Lauhöfer nicht sagen, er selbst war auch ausgeschlossen.

Die Vorfälle, die verhandelt wurden, geschahen im Juni 2008. Am Bahnhof von Delmenhorst soll M. einen alternativen Jugendlichen mit Spray attackiert haben, später soll er jemanden bei einem Gerichtsverfahren bedroht haben. „Die Anklage war nicht aufrechtzuerhalten“, hieß es jetzt. Gegen M. sollen noch weitere Verfahren offen sein.

„Die Entscheidung wird die Nazis ermuntern“, sagte einer der etwa dreißig Antifaschisten, die den Prozess begleitet haben. Die Region Delmenhorst ist für den niedersächsischen Verfassungsschutz eine Hochburg von JN und „Autonomen Nationalisten“. Dort war es immer wieder zu Überfallen gekommen: engagierte Jugendliche wurden angegriffen, Autos angezündet, ein Jugendtreff attackiert und ein junger Türke überfallen und verletzt. ANDREA RÖPKE, ANDREAS SPEIT